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Die Verbraucher in Deutschland werden vermehrt mit ungewöhnlichen Verpackungsgrößen verwirrt


urbs-media, 1.2.2010: Preiserhöhungen im Handel konnten die Verbraucher bisher leicht feststellen, denn sie brauchten sich nur den Preis pro Packung (z.B. eine bestimmte Schokolade, ein bestimmtes Brot usw.) zu merken bzw. zu notieren. Denn bis Ende März 2009 waren die in Deutschland zulässigen Packungsgrößen für viele Nahrungsmittel normiert. Üblich waren daher Gewichtsangaben wie z.B. 1.000 Gramm, 500 Gramm, 250 Gramm oder 100 Gramm.

Seit Anfang April 2009 gilt nun einheitlich in Europa eine EU-Verordnung, wonach in den Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Wein, Sekt und Spirituosen die Waren in beliebigen Füllmengen verkauft werden dürfen. Diese Neuregelung war von vielen Verbraucherschützern als "EU-Lizenz zum Mogeln" bezeichnet worden. Auch die urbs-media Redaktion hatte damals kritisch über die Neuregelung berichtet und die Verbraucher vor den neuen "Mogelpackungen" gewarnt.

Etwas mehr als 9 Monate nach der Freigabe der Füllmengen sehen sich die Verbraucherschützer in ihrer damaligen Kritik bestätigt. Nach einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) haben nämlich viele Hersteller die neuen Freiheiten bei den Verpackungsgrößen für verdeckter Preiserhöhungen missbraucht. Konkret werden kleinere Füllmengen häufig zum alten Preis verkauft, was unter dem Strich teilweise eine Preiserhöhung von bis zu 100 Prozent bedeutet, so wie z.B. bei einer bekanten Anti-Pickel Creme, die im deutschen Einzelhandel nach der Halbierung der Füllmenge von 30 ml auf 15 ml weiterhin 5,99 Euro kostet.

Teilweise argumentieren die Hersteller bei Füllmengenveränderungen auch mit dem angeblichen Wunsch der Verbraucher nach anderen Verpackungseinheiten und anderen Produktzusammensetzungen. Dies behauptet z.B. Iglo bei seinem Schlemmerfilet und hat die Fischeinwaage bei ansonsten unverändertem Gesamtgewicht und unverändertem Preis von bisher 70 Prozent auf 52 Prozent gesenkt; also weniger Fisch und mehr Panade für's gleiche Geld! Mit welcher "Kreativität" mache Hersteller ihre Preiserhöhungen versteckten,, zeigt auch das Beispiel der Firma Libby's, die bei ihren Pfirsichen das Abtropfgewicht (also den Fruchtinhalt) bei ansonsten unveränderten Dosenvolumen von 250 Gramm auf 240 Gramm verringert hat.

Durch derartige Tricks bei den Füllmengen werden die Verbraucher eindeutig getäuscht. Diese Täuschungshandlung erfüllt zwar nicht den Straftatbestand des Betruges (§ 263 StGB), weil sich die Hersteller mit ihren Manipulationen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bewegen. Nichtsdestotrotz ist ein derartiges Verhalten nach Meinung der urbs-media Redaktion nicht minder verwerflich.

Juristisch relevant werden Täuschungen über die Füllmenge erst bei so genannten Mogelpackungen. Allerdings wurde § 6a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Jahre 2007 aufgehoben. Damit fehlt jetzt auch eine ausdrückliche gesetzliche Definition des Begriffs "Mogelpackung".

Die Gerichte billigen den Herstellern inzwischen nämlich einen sehr weiten Spielraum bei der Füllmenge zu. Zwar müssen Verpackungen so gestaltet sein, dass sie beim Kunden nicht den Eindruck erwecken, dass eine größere Menge erworben wird als in der Packung tatsächlich enthalten ist. Allerdings sind dabei auch größere Hohlräume zulässig, solange diese für den Verbraucher erkennbar sind. Mit dieser Begründung erlaubte das Oberlandesgericht Frankfurt den Vertrieb einer Gewürzmischung, deren verschweißter Plastikbeutel zur Hälfte mit Luft gefüllt war. Auch eine derartige "halbe Füllmenge" stelle keinen Wettbewerbsverstoß dar, wenn der Verbraucher sehen oder ertasten könne, dass die Verpackung zu einem erheblichen Anteil nur Luft enthält (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.10.2008 - 14 U 240/07).

Damit dürfte sich der Verbraucherschutz vor Mogelpackungen künftig nur noch auf solche Fälle beschränken, bei denen die tatsächliche Füllmenge nicht erkennbar ist. Einen derartigen Fall hatte das Landgericht Frankfurt im Jahre 2001 zu entscheiden. Im Urteilsfall hatte ein Hersteller für Korrekturflüssigkeit bei unveränderter Packungsgröße den Inhalt von 30 ml auf 20 ml verringert. Die Füllmenge stand zwar aufgedruckt auf der Packung, konnte aber vom Verbraucher nicht optisch überprüft werden, weil das Fläschchen undurchsichtig war. In derartigen Fällen sei - so die Richter des Landgerichts - nur maximal eine Abweichung um 30 Prozent zwischen dem Verpackungsvolumen und dem tatsächlichen Inhalt zulässig, wenn nicht technische Gründe ausnahmsweise eine andere höhere Abweichung erforderlich machen (LG Frankfurt - Main, Urteil vom 18.4.2001 - 3-08 O 165/00).

urbs-media Praxistipp: Da die Gerichte den Verbrauchern den wettbewerbsrechtlichen Schutz vor Mogelpackungen offensichtlich nur in seltenen Extremfäallen zubilligen, bleibt den Betroffenen nur eine gesteigerte Wachsamkeit. Denn inzwischen muss man sich bei den Füllmengen praktisch mit allem rechnen. So wurde die urbs-media Redaktion erst in der vergangenen Woche von einem angeblichen Sonderangebot für Butter überrascht. Das beworbene Aktionspaket enthielt nämlich nur 200 Gramm statt der sonst üblichen 250 Gramm. Zum Glück haben wir den Butter-Schwund vor der Kasse noch entdeckt und die "Klein-Packung" mit dem vermeintlichen Sonderpreis zurück ins Kühl-Regal befördert.

Ja selbst die Literangaben für Kraftstoffe an der Zapfsäule sind jetzt nur noch ein "Annäherungswert", weil die Bundesregierung im Jahre 2006 die strengen deutschen Eichvorschriften zugunsten einer laxen EU-Regelung mit einer Toleranz bis zu einem Prozent abgeschafft hat. Offiziell wurde dies damit begründet, auch den im ehemaligen Ostblock ansässigen Hersteller von Messinstrumenten müsse der deutsche Markt zugänglich gemacht werden. "Polnische Wirtschaft jetzt auch in Deutschland" hatte die urbs-media Redaktion dies in einem Kommentar im März 2006 genannt.

Inwieweit verdeckte Preiserhöhungen durch Änderung der Füllmengen bei den amtlichen Preisindizes berücksichtigt werden, ist unklar. Viele Verbraucher in Deutschland haben jedenfalls den Eindruck, dass der reale Anstieg der Lebenshaltungskosten in den amtlichen Statistiken noch nicht einmal annähernd korrekt erfasst wird. Die Statistiker sprechen dabei zwar abfällig von "gefühlter Inflation", das Unbehagen vieler Bürger an den amtlichen Preisindizes bleibt jedoch bestehen. Nicht zu unrecht, wenn man bedenkt, dass der Staat ein ureigenstes Interesse daran hat, dass die Inflationsrate möglichst niedrig ausgewiesen wird.



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