aktuelle Infos
aktuelle
Infos
urbs - media
http://www.urbs.de
zur Startseite von urbs-media   Homepage
Übersicht der archivierten Beiträge   Übersicht

Verzögerungen bei der Postzustellung im Widerspruchs- oder Klageverfahren gehen nicht zu Lasten der Bürger


urbs-media, 17.12.2007: DGegenwärtig gibt es bei der Postzustellung offensichtlich große Probleme. So berichtet das Nachrichtenmagazin Spiegel in seiner Onlineausgabe, dass vor allem in großen Zustellbezirken die Post nicht mehr täglich ausgeliefert, sondern über mehrere Tage gesammelt und erst dann im Paket ausgeteilt wird. Dies führt dann z.B. auch dazu, dass die täglich abgeschickte Pressemitteilungen des Bundeswirtschaftsministeriums zuweilen im Zweier- oder Dreierpack bei der urbs-media Redaktion ankommen.

Ursache für derartige Auslieferungsverzögerungen ist nach Angaben der Deutschen Post ein "Weihnachtsengpass". Konkret teilt der Kundenservice Brief der Post auf Anfrage mit, wegen der an verschiedenen Werktagen unterschiedlichen Sendungsmengen können Adressen, die am Ende eines Bezirks liegen, nicht mehr täglich beliefert werden. Denn nach dem Arbeitsschutzgesetz müssen die Mitarbeiter ihre Dienstzeit nach über zehn Stunden abbrechen.

Weihnachten ist im Jahr 2007 offensichtlich völlig überraschend und plötzlich ohne jede Vorwarnung über die Personalverantwortlichen der Deutschen Post AG hereingebrochen (sozusagen höhere Gewalt)! Für die Postkunden stellt sich jedoch die Frage, welche juristischen Konsequenzen es hat, wenn Schriftstücke wegen überlanger Postlaufzeiten den Empfänger erst verspätet erreichen (z.B. nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen Verwaltungsakte oder Bußgeldbescheide oder nach Ablauf der Klage- oder Berufungsfrist).

Die Gerichte gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass bei behördlichen oder gerichtlichen Fristen dem Absender "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" zu gewähren ist, wenn ein Schreiben ohne Verschulden des Absenders dem Empfänger erst nach Fristablauf zugeht. Wer hier also auf die "normalen Postlaufzeiten" vertraut, dem darf zumindest in der Theorie aus einer Fristversäumnis kein Nachteil entstehen.

Beispiel (§ 56 FGO): Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
  1. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

  2. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Als eine schuldlose Fristüberschreitung wertet die Rechtsprechung dabei auch, wenn eine Briefsendung ein Gericht oder eine Behörde erst verspätet erreicht, weil es Verzögerungen bei der Briefzustellung gab, die normalen Postlaufzeiten also überschritten wurden.

Fraglich ist allerdings, was unter normalen Postlaufzeiten zu verstehen ist. Die Deutsche Post AG nennt im Internet für Briefe bei ca. 95 Prozent der Sendungen eine übliche Laufzeit von einem Werktag. Deswegen geht z.B. der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 11.7.2006 (VIII R 10/05) davon aus, dass ein Brief, der bis 17.00 Uhr beim Postamt aufgegeben wird, das örtliche Finanzgericht am nächsten Werktag erreicht. Ähnlich hat auch das hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30.07.2007 (16 Sa 486/07) entschieden: Ausweislich einer bei der Deutschen Post eingeholten Auskunft sei davon auszugehen, dass die allgemeine Postlaufzeit bei einem Tage liege und nur bei Verzögerungen bei zwei Tagen. Daraus folgt dass die Bürger jedenfalls damit rechnen können, dass Briefsendungen innerhalb von Deutschland den Empfänger spätestens am zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post erreichen.

Teilweise lehnen Gerichte und Behörden aber auch Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, selbst bei störungsfreiem Betrieb müsse im Inland mit einer Postlaufzeit von bis zu drei Tagen gerechnet werden. Eine derartige Haltung verstößt jedoch eindeutig gegen das Grundgesetz. Entsprechende behördliche oder gerichtliche Entscheidungen, die von einer normalen Postlaufzeit bis zu drei Tagen ausgehen, sind daher offensichtlich verfassungswidrig (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.11.1999 - 1 BvR 762/99).

Als irrelevant hat das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich die Behauptung vom Tisch gewischt, vor Feiertagen müsse man mit längeren Postlaufzeiten rechnen. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.2000 (1 BvR 2104/99) heißt es hierzu: "Differenzierungen danach, ob eine eingetretene Verzögerung auf einer zeitweise besonders starken Beanspruchung der Leistungsfähigkeit der Post (etwa vor Feiertagen), auf einer verminderten Dienstleistung der Post (beispielsweise an Wochenenden) oder auf der Nachlässigkeit eines Bediensteten beruht, sind unzulässig."

urbs-media Praxistipp: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es grundsätzlich nur gegenüber Behörden und Gerichten. Wer eine zivilrechtliche Frist versäumt (z.B. für die Kündigung eines Mietvertrags), der kann sich daher nicht darauf berufen, er habe auf die normalen Postlaufzeiten vertraut. Insoweit geht das Beförderungsrisiko von Schriftstücken also in vollem Umfang zu Lasten des Absenders (§ 130 Abs. 1 BGB). Hier sollte man daher sicherheitshalber entweder eine ausreichende Frist für die Postlaufzeit einplanen oder aber termingebundene Schriftstücke durch einen Boten zustellen lassen.



urbs-media GbR
http://www.urbs.de