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Verzögerungen bei der Postzustellung im Widerspruchs- oder Klageverfahren gehen nicht zu Lasten
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Beispiel (§ 56 FGO): Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
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Als eine schuldlose Fristüberschreitung wertet die Rechtsprechung dabei auch, wenn eine Briefsendung ein Gericht oder eine Behörde erst verspätet erreicht, weil es Verzögerungen bei der Briefzustellung gab, die normalen Postlaufzeiten also überschritten wurden.
Fraglich ist allerdings, was unter normalen Postlaufzeiten zu verstehen ist. Die Deutsche Post AG nennt im Internet für Briefe bei ca. 95 Prozent der Sendungen eine übliche Laufzeit von einem Werktag. Deswegen geht z.B. der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 11.7.2006 (VIII R 10/05) davon aus, dass ein Brief, der bis 17.00 Uhr beim Postamt aufgegeben wird, das örtliche Finanzgericht am nächsten Werktag erreicht. Ähnlich hat auch das hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30.07.2007 (16 Sa 486/07) entschieden: Ausweislich einer bei der Deutschen Post eingeholten Auskunft sei davon auszugehen, dass die allgemeine Postlaufzeit bei einem Tage liege und nur bei Verzögerungen bei zwei Tagen. Daraus folgt dass die Bürger jedenfalls damit rechnen können, dass Briefsendungen innerhalb von Deutschland den Empfänger spätestens am zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post erreichen.
Teilweise lehnen Gerichte und Behörden aber auch Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, selbst bei störungsfreiem Betrieb müsse im Inland mit einer Postlaufzeit von bis zu drei Tagen gerechnet werden. Eine derartige Haltung verstößt jedoch eindeutig gegen das Grundgesetz. Entsprechende behördliche oder gerichtliche Entscheidungen, die von einer normalen Postlaufzeit bis zu drei Tagen ausgehen, sind daher offensichtlich verfassungswidrig (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.11.1999 - 1 BvR 762/99).
Als irrelevant hat das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich die Behauptung vom Tisch gewischt, vor Feiertagen müsse man mit längeren Postlaufzeiten rechnen. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.2000 (1 BvR 2104/99) heißt es hierzu: "Differenzierungen danach, ob eine eingetretene Verzögerung auf einer zeitweise besonders starken Beanspruchung der Leistungsfähigkeit der Post (etwa vor Feiertagen), auf einer verminderten Dienstleistung der Post (beispielsweise an Wochenenden) oder auf der Nachlässigkeit eines Bediensteten beruht, sind unzulässig."
urbs-media Praxistipp: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt es grundsätzlich nur gegenüber Behörden und Gerichten. Wer eine zivilrechtliche Frist versäumt (z.B. für die Kündigung eines Mietvertrags), der kann sich daher nicht darauf berufen, er habe auf die normalen Postlaufzeiten vertraut. Insoweit geht das Beförderungsrisiko von Schriftstücken also in vollem Umfang zu Lasten des Absenders (§ 130 Abs. 1 BGB). Hier sollte man daher sicherheitshalber entweder eine ausreichende Frist für die Postlaufzeit einplanen oder aber termingebundene Schriftstücke durch einen Boten zustellen lassen.