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Das Bundesverfassungsgericht verbietet den Abschuss von entführten Passagierflugzeugen


urbs-media, 20.2.2006: Das Bundesverfassungsgericht hat wesentliche Teile des so genannten "Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben" (BGBl 2005 I S. 78) für verfassungswidrig erklärt. Insbesondere ist § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Diese Bestimmung ermächtigt die Streitkräfte zum Abschuss von Flugzeugen, die als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden sollen. Damit hat das Bundesverfassungsgericht einer Klage der FDP-Politiker Burkhard Hirsch und Gerhart Baum sowie von vier weiteren Klägern (darunter ein Berufspilot) gegen das Luftsicherheitsgesetz stattgegeben.

Die umstrittene Neuregelung war am 15.1.2005 in Kraft getreten. Auf heftige Kritik stieß dabei vor allem der Umstand, dass sich der Staat und insbesondere der Verteidigungsminister das Recht anmaßen, über das Leben von Flugzeugpassagieren zu entscheiden. Zur Rechtfertigung dieses finalen "Rettungstotschlags" hatte sich die Bundesregierung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht dann zu der aberwitzigen Behauptung verstiegen, dass derjenige, der als Besatzungsmitglied oder Passagier ein Luftfahrzeug besteigt, mutmaßlich in dessen Abschuss und damit in die eigene Tötung einwilligt, falls dieses in einen Luftzwischenfall verwickelt wird.

Das Verfassungsgericht hat den Politikern in Berlin jetzt unmissverständlich ins Stammbuch geschrieben, dass eine derartige Begründung eine lebensfremde Fiktion darstellt. Ein Staat, der militärische Mitteln gegen entführte Passagierflugzeuge einsetzt, bringt dadurch unverhohlen zum Ausdruck, dass er die Opfer eines solchen Vorgangs nicht mehr als Menschen wahrnehmen will. Dies stellt einen eklatanten Verstoß gegen die vom Grundgesetz garantierte Menschenwürde (§ 1 Abs. 1 GG) und einen rechtswidrigen Angriff gegen das Recht auf Leben (§ 2 Abs. 2 GG) dar.

(Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15.2.2006 - 1 BvR 357/05)

urbs-media Praxistipp: Fliegen ist in Deutschland zunächst wieder sicher geworden. Denn Flugpassagiere mussten seit 15.1.2005 nicht nur befürchten, durch Terroristen zu Tode zu kommen, sondern auch vom deutschen Staat zur Abwehr einer eingebildeten Gefahr geopfert zu werden. Dass es sich hierbei nicht nur um einen theoretischen Fall handelt, beweist eindrucksvoll ein Zwischenfall anlässlich der olympischen Spiele 1972 in München, der von den Verantwortlichen in Deutschland gerne unter den Teppich gekehrt wird. Konkret geht es um den Beinaheabschuss einer finnischen DC 8, die am 11.9.1972 wegen des Ausfalls des Bordradars vom Kurs abgekommen und versehentlich Richtung München geflogen war, wo gerade die Abschlussveranstaltung im Olympiastadion stattfand.

Die deutschen Sicherheitsbehörden vermuteten damals eine von arabischen Terroristen entführtes Flugzeug und der damalige Verteidigungsminister Georg Leber ließ zwei Abfangjäger vom oberbayerischen Fliegerhorst Neuburg aufsteigen. Den Befehl dazu gab Bundeskanzler Brandt persönlich per Telefon, der sich auf der Ehrentribüne im Stadion befand. In seinen Erinnerungen schrieb Verteidigungsminister Leber später: "Wäre die DC 8 nicht abgedreht, hätte ich zwei Minuten später den Piloten der Luftwaffe den Feuerbefehl erteilen müssen." Dieser Vorfall wird auch vom damaligen Stadionsprecher Joachim Fuchsberger bestätigt.



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