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Das Bundesverfassungsgericht stärkt den Schutz der Wohnung vor unzulässigen Durchsuchungen


urbs-media, 16.10.2006: Nach Artikel 13 des Grundgesetzes (GG) ist die Wohnung unverletzlich. Durchsuchungen dürfen nur durch einen Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Wie jetzt zwei aktuelle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gezeigt haben, nimmt unser Staat das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aber kaum noch ernst, und zwar nicht nur im Bereich der Schwerkriminalität (Stichwort: Großer Lauschangriff), sondern auch bei Bagatellen wie Parkverstößen.

In dem Verfahren 2 BvR 1141/05 vor dem Bundesverfassungsgericht ging es um die Durchsuchung der Kanzlei eines Rechtsanwalts. Unsere Leser ahnen es vermutlich bereits, der Vorwurf lautete nicht Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, sondern schlichtweg unberechtigtes Parken auf einem Sonderfahrstreifen vor dem Justizgebäude in Aachen. Kein Wunder, dass das Amtsgericht bei derartigen staatsgefährdenden Umtrieben einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für die Kanzleiräume des Beschwerdeführers anordnete. Denn der angebliche Parkrüpel in Anwaltsrobe hatte sich gegenüber der Verwaltung gegen zwei Bußgeldbescheide über jeweils 15 Euro mit dem Argument verteidigt, er habe jeweils nur kurz vor dem Gebäude gehalten, um Aktenpakete auszuladen. Durch den richterlichen Durchsuchungsbeschluss sollte nun anhand des anwaltlichen Terminkalenders geklärt werden, ob der Anwalt an den fraglichen Tagen tatsächlich gerichtliche Termine wahrgenommen hatte.

Die Verfassungsbeschwerde des Anwalts hatte jetzt Erfolg. Evident sachfremd und daher grob unverhältnismäßig und willkürlich, so die Ohrfeige aus Karlsruhe für den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Aachen. Oder mit anderen Worten: Offensichtlich mit dem Klammerbeutel gepudert!

(BVerfG, Beschluss vom 7.9.2006 - 2 BvR 1141/05)

urbs-media Praxistipp: Auch bei der Frage, ob Wohnungsdurchsuchung wegen "Gefahr im Verzug" ausnahmsweise ohne richterliche Anordnung zulässig ist, wird von den Strafverfolgungsbehörden häufig zu leichtfertig bejaht. Als Argument für die sofortige Durchsuchung dient der Polizei oder der Staatsanwaltschaft dann häufig der Hinweis, nach Dienstschluss sei kein Richter mehr zu erreichen gewesen.

Dieser Argumentation hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr einen Riegel vorgeschoben und entschieden, dass die Gerichte verpflichtet sind, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters zu sichern. Bei Tage (vgl. § 104 Abs. 3 StPO, der im Zusammenhang mit der nächtlichen Hausdurchsuchung als Nachtzeit für die Sommermonate die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und für die Wintermonate von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens definiert) muss daher die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters uneingeschränkt gewährleistet sein. Zumindest vor 21.00 Uhr darf sich die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung daher nicht damit herausreden, der zuständige Richter sei nicht erreichbar gewesen.

Zusätzlich hat das Verfassungsgericht dann auch die Art und Weise der Wohnungsdurchsuchung gerügt. Denn in einem Fall von Körperverletzung hatte die Polizei die Wohnung auf der Suche nach dem Tatwerkzeug auch mit einem Drogenspürhund durchsucht. Diese Maßnahme ist ebenfalls rechtswidrig, denn die Ermittlungsbehörden müssen auch eine erlaubte Durchsuchung auf das erforderliche Maß begrenzen, um die Integrität der Wohnung nicht mehr als nötig zu beeinträchtigen. Der Versuch, durch Zufallsfunde weiteres belastendes Material in den Räumen zu finden, ist also verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss vom 28.9.2006 - 2 BvR 876/06).



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