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Cross-Border-Leasing droht für viele Städte zu einem teuren Verlustgeschäft zu werden


urbs-media, 6.10.2008: Cross-Border-Leasing galt lange als Geheimtipp für Städte und Gemeinden, um die maroden kommunalen Finanzen aufzubessern. Kurz beschrieben funktioniert Cross-Border-Leasing (CBL) wie folgt: Eine Stadt verkauft z.B. ihr Kanalnetz oder ihre Verkehrsbetriebe an einen Investor in den Vereinigten Staaten, der die Anlage für bis zu 99 Jahre zurück an den bisherigen Eigentümer verpachtet. Der „Kaufpreis“ wird bei einer US-Bank oder US-Versicherung geparkt und aus den Erträgen dieser Kapitalanlage sollen die laufenden Pachtraten finanziert werden. Als Anreiz für die dieses Geschäft schüttert der US-Investor dann noch eine kleine Überweisung (Barwertanteil) an die Gemeinde aus, so dass Cross-Border-Leasing in vielen deutschen und österreichischen Rathäusern als sichere Einnahmequelle gilt. Hintergrund dieser Scheingeschäfte ist, dass der US-Investor für sein im Ausland gelegenes angebliches Anlagevermögen in Amerika steuerliche Abschreibungen geltend machen kann.

Finanzexperten in Deutschland und Österreich haben schon seit Jahren davor gewarnt, dass die Kommunen durch derartige Verträge ein unkalkulierbares Risiko eingehen. Denn in den teilweise über 1.000 Seiten dicken englischsprachigen Verträgen verpflichten sich die Städte z.B. dazu, während der Vertragslaufzeit den Leasinggegenstand stets auf dem technisch neuesten Stand zu halten und entsprechende Investitionen vorzunehmen. Außerdem haben die meisten Städte auch das Risiko übernommen, dass die laufenden Pachtzahlungen aus dem bei US-Kreditinstituten hinterlegten Kaufpreis entrichtet werden. Es soll sogar Fälle geben, in denen die europäischen Vertragspartner sich gegenüber den US-Investoren auch dafür verbürgt haben, dass die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten in den USA nicht verschlechtert werden.

Und genau an diesen Punkten droht die Finanz- und Bankenkrise in den USA für die Städte in Deutschland und Österreich zu einem doppelten finanziellen Debakel zu werden. Denn die US-Steuerbehörde IRS behandelt Cross-Border-Leasing inzwischen als rechtswidrige Scheingeschäfte und hat gegen einige der beteiligten US-Firmen bereits hohe Steuernachforderungen in dreistelliger Millionenhöhe festgesetzt. Außerdem hakt es wegen der Finanzkrise in den USA außerdem an der fortlaufenden Zahlung der vereinbarten Leasingraten, weil einige der beteiligten Depotbanken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten geraten sind oder bereits Konkurs angemeldet haben. Deshalb müssen die europäischen Vertragspartner jetzt entweder selbst für die laufenden Pachtzahlungen aufkommen oder den US-Investoren zusätzliche Sicherheiten stellen.

Während diese Probleme in Deutschland bisher noch unter vorgehaltener Hand behandelt werden, sind die drohenden finanziellen Nachforderungen aus Cross-Border Leasing-Verträgen in Österreich inzwischen ein Top-Thema in den Medien. So drohen z.B. nach einem Bericht des ORF-Landesstudios Tirol den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) hohe Kosten für den Wechsel des Versicherers, weil statt der fast pleitegegangene US-Versicherung AIG nach den Vertragsbedingungen auf Kosten der Stadt Innsbruck durch einen anderen Finanzier ersetzt werden muss. Nach einer Pressemitteilung der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG drohen auch der Stadt Wien und der Österreichischen Bundesbahn ÖBB Millionen-Verluste aus ihren Cross-Border-Leasing-Verträgen. Denn der Österreichische Rechnungshof hatte bereits in seinem Bericht aus dem Jahr 2004 festgestellt, dass den betroffenen Unternehmen beim Konkurs einer Depotbank ein Schaden droht, der den Barwertvorteil bei weitem übersteigt, weil das Insolvenzrisiko hinsichtlich der zwischengeschalteten US-Depotbanken ausschließlich beim inländischen Vertragspartner liegt. Die Landesregierung in Innsbruck hat sogar schon einen Untersuchung durch den Landesrechnungshof eingeleitet, um die drohenden finanziellen Belastungen aus dem von dortigen Energieversorger Tiwag mit einem US-Investor abgeschlossenen Cross-Border-Leasing-Vertrags zu ermitteln.

In Deutschland drohen ähnliche Nachforderungen z.B. den Städten Bochum, Gelsenkirchen und Recklinghausen, weil sie sich bei der Abwicklung ihrer Leasingverträge mit der US-Versicherung AIG eingelassen und das Geschäft über dieses nur knapp am Konkurs verbeigeschrammte Unternehmen versichert hatte. Unbestätigten Berichten zufolge verlangen die US-Investoren nun zusätzliche Garantien, weil die Bonität der AIG-Versicherung von den Rating-Agenturen wegen der Finanzkrise herabgestuft wurde.

Ähnlich dürfte es vermutlich bald auch anderen Städten und Gemeinden ergehen, die im Vertrauen auf schnelles Geld gegen den Rat aller Experten derartige Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen haben. Dies gilt z.B. für Düsseldorf, wo das kommunale Kanalnetz und die Verkehrsbetriebe an US-Investoren verkauft wurden oder für Köln, wo ebenfalls die städtische Kanalisation an US-Investoren ging.

urbs-media Praxistipp: Wie teuer diese Bürgschaften die Städte letztendlich kommen, ist noch unklar. Denn die betroffenen Städte weigern sich immer noch beharrlich, die Verträge offen zu legen. Möglicherweise werden die zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen jedoch die einmaligen Gewinne aus den Leasing-Verträgen um ein vielfaches übersteigen. Dann wird sich auch der Hinweis der urbs-media Redaktion in unserem Beitrag vom 8.12.2003 bewahrheiten, wo wir den deutschen Akteuren wegen der bekannten Risiken beim Cross-Border-Leasing folgendes ins Stammbuch geschrieben hatten: "Der Weihnachtsmann wohnt nicht in Amerika und macht deutschen Kommunen keine großzügigen Geschenke!



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