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Scheingeschäfte durch Cross Border Leasing: Die Bombe droht zu platzen


urbs-media, 8.12.2003: Vor genau einem Jahr hatten wir an dieser Stelle vor den finanziellen Risiken für die deutschen Gemeinden beim so genannten Cross-Border-Leasing gewarnt. Derartige Geschäfte gibt es bereits seit mehr als 10 Jahren; sie gerieten allerdings erst seit etwa einem Jahr vermehrt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Beim Cross-Border-Leasing werden von deutschen Städten Teile ihrer Infrastruktur (z.B. Klärwerke, Verkehrsbetriebe, Müllverbrennungsanlagen oder Kanalisation) für bis zu 100 Jahre an US-Unternehmen verpachtet und die Anlagen gleichzeitig zurückgeleast.

Der finanzielle Vorteil dieser Konstruktion besteht darin, dass die amerikanischen Unternehmen ihre "Investitionen im Ausland" steuerlich abschreiben können und die deutschen Kommunen an diesem Steuervorteil teilhaben lassen. Im Ergebnis erhalten die Städte und Gemeinden beim "Cross-Border-Leasing" (CBL) eine Auszahlung in Millionenhöhe, den so genannten Barwertvorteil. Nutznießer dieser Zahlungen aus Amerika sind daneben zusätzlich spezielle Finanzierungsfirmen und Vermittler, die sich für ihre Dienste großzügig entlohnen lassen.

Bereits in unserer damaligen Veröffentlichung hatten wir angekündigt, dass sich in den Vereinigten Staaten Widerstand gegen dieses Steuerschlupfloch formierte. Jetzt hat eine parteiübergreifende Gruppe von US-Senatoren im Finanzausschuss des Senats einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die steuerlichen Vorteile für US-Investoren beim Cross-Border-Leasing abschaffen soll. Entsprechend den Berichten über die eindeutige Stimmung im Finanzausschuss gegen das Cross-Border-Leasing bei der Vorstellung des Gesetzesantrags (19 von 21 Senatoren haben für den Antrag gestimmt) werden die steuerlichen Vorteile für die Investoren vermutlich schon bald wegfallen.

Für zahlreiche deutsche Städte und Gemeinden stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen eine derartige Gesetzesänderung in den USA für die von ihnen bereits abgeschlossenen Leasing-Verträge hat. Hier muss vorweg erläutert werden, dass diese Verträge üblicherweise das us-amerikanische Recht für anwendbar erklären und den deutschen Gemeinden das Risiko dafür aufbürden, dass die gewünschten steuerlichen Vorteile für die Investoren aus den USA in der Zukunft auch tatsächlich eintreten.

Mit welch harten Bandagen die Amerikaner dabei kämpfen, wurde erst kürzlich bei den gescheiterten Verhandlungen mit der Stadt Krefeld über die Vermietung des städtischen Kanalnetzes für etwa 12,5 Mio. Euro an einen US-Investor bekannt: Krefeld hätte für mindestens 27 Jahre das Zahlungs-Risiko für die Mietzinszahlungen übernehmen sollen. Nach dem Vertrag hätte Krefeld damit praktisch eine Garantie für die unveränderten steuerlichen Rahmenbedingungen in den USA hinsichtlich der Abschreibungsmöglichkeiten beim Cross-Border-Leasing geben müssen.

Die volle Tragweite und das tatsächliche Risiko des Cross-Border-Leasings ist den meisten deutschen Gemeinden jedoch völlig unbekannt, da die entsprechenden Verträge in englisch abgefasst wurden und im Regelfall einen Umfang von bis zu 600 Druckseiten haben. Da war es für die amerikanischen Geldgeber ein leichtes, auch unübliche und gefährliche Vertragsklauseln in diesen Mammutwerken zu verstecken. Diese Verschleierungstaktik gegenüber der Öffentlichkeit wurde zusätzlich dadurch begünstigt, dass den Ratsmitgliedern bei der Abstimmung über derartige Verträge unter dem Vorwand der Geheimhaltung im Regelfall nur eine ins deutsche übersetzte Kurzfassung der Verträge ausgehändigt wurde.

Wenn jetzt wie erwartet die amerikanischen Finanzbehörden diese Konstruktion nicht mehr anerkennen, müssen die deutschen Gemeinden - soweit sie wie im Regelfall dieses Risiko vertraglich übernommen haben - die erhaltenen Millionen aus den USA wieder zurückzahlen. Und hier stehen dann viele Städte vor einem echten Problem, weil sie das Geld zum Stopfen von Haushaltslöchern verbraucht haben und über keine liquiden Mittel in dieser Höhe mehr verfügen. Außerdem droht den Städten möglicherweise auch noch zusätzlich die Rückzahlung der von den Vermittlern vereinnahmten Provisionen sowie Zinszahlungen, so dass die Erstattungssforderungen insgesamt die ursprünglichen Einnahmen aus dem Cross-Border-Leasing sogar noch deutlich übersteigen könnten.

Zumindest in Nordrhein-Westfalen haben die Gemeinden die laufenden Verhandlungen über neue Leasinggeschäfte mit us-amerikanischen Investoren unmittelbar nach Bekanntwerden der Gesetzesinitiative im US-Senat gestoppt. Und diejenigen Städte, die bereits derartige Verträge abgeschlossen hatten, zittern jetzt vor dem Gedanken, welche bisher verheimlichten Fallstricke sich für sie in den Verträgen wohl noch verbergen könnten. Denn allein in Nordrhein-Westfalen haben die Kommunen bisher bereits ca. 350 Mio. Euro durch derartige Leasing-Geschäfte eingenommen. Bundesweit dürfte sich der Betrag, der jetzt möglicherweise bald zur Rückzahlung ansteht, im Bereich von mehreren Milliarden Euro bewegen.

urbs-media Praxistipp: Zahlreiche Bürger hatten die Cross-Border-Leasing-Verträge zum Anlass genommen, gegen städtische Gebührenbescheide zu klagen. Die Kläger hatten sich in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt gestellt, dass z.B. die Einnahmen beim Verkauf des städtischen Kanalnetzes den Bürgern in Form von niedrigeren Wasser-Gebühren zu Gute kommen müssen. Eine entsprechende Klage ist jedoch kürzlich vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgelehnt worden (Az.: 13 K 1626/03). Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, die Bürger zögen aus derartigen Geschäften weder einen Vorteil noch drohten ihnen hieraus Nachteile.

Wir können nur hoffen, dass die Gerichte auch im umgekehrten Fall in dieser Weise entscheiden werden. Denn wenn jetzt viele Städte möglicherweise bald hohe zweistellige Millionenbeträge an die Geldgeber aus Amerika zurückzahlen müssen, dann darf dies entsprechend dem vorgenannten Verwaltungsgerichtsurteil auch nicht dazu führen, dass die entsprechenden städtischen Gebühren angehoben werden.

Das Thema "Cross-Border-Leasing" bleibt auf jeden Fall spannend und wird mit Sicherheit noch für manche unliebsame Überraschung bei den betroffenen Städten und Gemeinden sorgen. Dabei wird dann möglicherweise auch über Haftungsfragen zu sprechen sein. Denn zahlreiche Experten haben wegen der unkalkulierbaren Risiken durch mögliche Rechtsänderungen in den USA schon seit Jahren laut und deutlich vor den Verlockungen durch das vermeintlich schnelle Geld beim Cross-Border-Leasing gewarnt. Denn eines sollte allen Beteiligten bekannt sein, die sich auf internationale Finanzgeschäfte einlassen: "Der Weihnachtsmann wohnt nicht in Amerika und macht deutschen Kommunen keine großzügigen Geschenke!"



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