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Datenschutzrechtliche Bedenken gegen die zwangsweise Einführung eines Notrufsystems in Neuwagen ab 2015


urbs-media, 10.10.2011: Nach Plänen der EU-Kommission sollen ab dem Jahr 2015 alle in der europäischen Union neu zugelassenen Pkw und Kleinlaster zwingend mit einem so genannten "E-Call-System" ausgerüstet werden. Hierdurch, so die EU, sollen in Europa jährlich tausende Menschenleben gerettet werden. Derartige Notrufsysteme gibt es zwar bereits schon, allerdings werden wegen der hohen Kosten bislang weniger als ein Prozent aller Neuwagen mit diesem System ausgerüstet.

Technisch funktioniert der automatische Notruf wie folgt: Über einen Crashsensor, der z.B. mit dem Auslöser für die Airbags verbunden ist, wird das Notrufsystem aktiviert und wählt sich über das normale Mobilfunknetz bei einer "Notrufzentrale" ein. An diese Zentrale werden dann Daten zum Unfall, wie beispielsweise Zeitpunkt des Unfalls, genauer Standort des verunfallten Fahrzeugs und Fahrtrichtung, übertragen.

Die EU-Kommission behauptet in einer aktuellen Pressemitteilung vom 8.9.2011, die Belange des Datenschutzes blieben dabei gewahrt, weil sich das E-Call-System erst dann aktiviert werde, wenn ein Unfall eingetreten ist. Das Gerät sende daher keine Signale, solange es nicht durch einen Unfall aktiviert werde.

Datenschützer bezweifeln diese Darstellung allerdings und geben zu bedenken, dass die verpflichtende Ausrüstung von Fahrzeugen mit einem GPS-Empfänger grundsätzlich auch dazu geeignet sei, Bewegungsprofile zu erstellen. Im Rahmen der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung sei es dann grundsätzlich möglich, bestimmte Fahrtrouten auch im Nachhinein zu rekonstruieren. Außerdem könne ein derartiges System unter Umständen dazu genutzt werden, in Europa eine flächendeckende und entfernungsabhängige Pkw-Maut einzuführen.

Diese Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Denn bereits im September 2006 hatte sich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz kritisch mit dem automatischen Notrufsystem in Kraftfahrzeugen auseinander gesetzt. Nach den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission sollte dieses System nämlich bereits im Jahre 2009 zwangsweise in alle europäischen Neufahrzeuge eingebaut werden. In dieser Stellungnahme der Datenschützer heißt es wörtlich:

Auszug aus einem Vortrag des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar am 28.9.2006 beim ADAC in München

Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt sich zunächst die Frage, ob eine Einbaupflicht überhaupt einen Sinn macht. Wer sich überwiegend in städtischer Umgebung oder auf stärker frequentierten Straßen bewegt, dürfte kaum je in eine Situation kommen, in der er ein solches System benötigt. Und in abgelegenen Gebieten, im sog. "Funkloch", etwa wenn Sie auf die Idee kommen sollten, per Auto Lappland zu durchqueren oder über den Himalja zu fahren, nützt ihnen das eCall-System ebenso wenig wie das Handy. Wenn ein System, mit dem personenbezogenen Daten erhoben werden, nicht erforderlich ist, dann stellt sich automatisch auch die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit entsprechender Verpflichtungen. Oder besser: Die Frage ist leicht zu beantworten. Ein derartiges System darf dem Autofahrer nicht aufoktroyiert werden. Neben den Datenschutzfragen stellt sich auch die Frage nach den Kosten - aber das ist nicht mein Gebiet.

Ferner ist zu klären, ob eine Verpflichtung für den Fahrer oder die Fahrerin eingeführt werden soll, das eCall-Gerät zu aktivieren. Ich plädiere dafür, dass der Fahrer die Möglichkeit behalten soll, das Gerät abzuschalten, denn ich halte wenig von derartigen zwangsweisen Beglückungen, insbesondere wenn damit eine ziemlich weitgehende Überwachungsmöglichkeit verbunden ist.

Umgekehrt will ich aber den Betroffenen auch nicht gegen seinen Willen mit datenschutzrechtlichen Vorgaben traktieren, die er nicht will und nicht versteht. Wer also ein derartiges Gerät in sein Auto einbauen will, soll dies ruhig machen. Er oder sie sollte dann allerdings darauf achten, dass die entstehenden Daten geschützt bleiben. Hier sehe ich gleichermaßen auch eine Bringschuld der Hersteller und der Anbieter entsprechender Dienste. So muss die Zweckbindung des Notrufsystems sichergestellt sein, d.h. das jeweilige Modul darf bis zum Zeitpunkt des Unfalls weder senden noch empfangsbereit sein und nicht im Mobilfunknetz eingebucht sein. Andernfalls wäre die Ortung durch Dritte - auch ohne Einwilligung des Betroffenen - möglich, und es könnten etwa zu Überwachungs- oder Werbezwecken Bewegungsprofile erstellt werden. Weitere Anwendungen des Moduls sollten nur mit Einwilligung des Betroffenen bzw. durch dessen bewusste Handlung (etwa Nutzung des Moduls als eingebauten Mobilfunkgerät) statthaft sein; eine einmal geleistete Einwilligung muss aber auch jederzeit widerrufen werden können.

urbs-media Praxistipp: Es würde sich nahtlos in den Überwachungswahn unserer Politiker einfügen, wenn künftig nicht nur Handys, sondern generell alle Kraftfahrzeuge exakt räumlich lokalisiert werden können. Bei einem Handy kann man der Rundumüberwachung wenigstens dadurch entgehen, dass man sein Mobiltelefon nicht den ganzen Tag eingeschaltet hat oder das Gerät einfach Zuhause liegen lässt. Dies empfiehlt sich insbesondere dann, wenn man z.B. beabsichtigt, an einer Demonstration teilzunehmen. Denn in derartigen Fällen muss man immer damit rechnen, dass die persönlichen Handy-Daten von den Sicherheitsbehörden wie jüngst bei einer Demonstration in Dresden im Wege einer "Funkzellenabfrage" abgegriffen werden. Oder verschicken sie einfach ihr eingeschaltetes Handy per Post und Sie haben ein wunderschönes Alibi!

Aus Sorge vor einer drohenden Totalüberwachung liest man im Internetforen auch, dass man ein eventuell im Fahrzeug vorhandenes E-Call-System sicherheitshalber deaktivieren sollte, um die Erstellung von persönlichen Bewegungsprofilen unmöglich zu machen. Denn die "Chance" tatsächlich einmal auf einer einsamen Straße ohne Zeugen in einen Unfall verwickelt zu werden, die sind in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland praktisch gleich Null. Und Nullen sind auch diejenigen Bürokraten in Brüssel, die den Menschen mit dem Hinweis auf ein unverhältnismäßig geringes Risiko dazu veranlassen wollen, ihr Fahrzeug mit einem Notrufsystem auszurüsten. Da ist es schon hundert- oder gar tausendmal wahrscheinlicher, dass sich das von Ihnen geparkte Fahrzeug plötzlich auf dem Weg über die Oder nach Polen befindet.



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