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Der Ablauf eines förmlichen Amtsenthebungsverfahrens gegen den Bundespräsidenten


urbs-media, 9.1.2012: Nach dem Protokoll ist der Bundespräsident der erste Mann im Staat. Dies drückt sich für jedermann sichtbar in dem KFZ-Kennzeichen "0 - 1" aus. Der Dienstwagen der Kanzlerin hat dagegen die Nummer "0 - 2". Die herausragende Stellung des Bundespräsidenten zeigt sich aber nicht nur im Kfz-Kennzeichen, sondern auch in der Dauerhaftigkeit des Amtes. Denn während ein Bundeskanzler vom Bundestag jederzeit mit der Mehrheit seiner Mitglieder durch einen anderen Amtsinhaber ersetzt werden kann (Art. 67 GG - konstruktives Mißtrauensvotum), kann man einen amtierenden Bundespräsidenten nur in einem sehr formalisierten Verfahren unter Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts seines Amtes entheben.

Artikel 61 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muss von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des Bundesrates gestellt werden. Der Beschluss auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft vertreten.

(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Bundespräsident einer vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, dass er an der Ausübung seines Amtes verhindert ist.

Es können also nur solche Verfehlungen eine Präsidentenanklage rechtfertigen, die zugleich gegen das Grundgesetz oder ein Bundesgesetz verstoßen. Damit scheidet ein Verstoß gegen das niedersächsische Abgeordnetengesetz als Rechtsgrundlage für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens definitiv aus. So mag der zinsgünstige Kredit der Eheleute Geerkens an den Ministerpräsidenten Wulff zwar gegen ein landesgesetzliches Verbot verstoßen haben, dies ist im Rahmen der Präsidentenanklage jedoch unerheblich.

Möglicherweise verstößt jedoch das Verhalten von Christian Wulff bei der Umschuldung seines Hauskredits zur BW-Bank gegen bundesrechtliche Bestimmungen. In Frage käme hier z.B. das Verbot der Vorteilsannahme für Amtsträger (§ 331 StGB):

§ 331 StGB (Vorteilsannahme)

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen lässt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

Nun wird in der Presse darüber spekuliert, der überaus günstige Nachfolgekredit durch die BW-Bank sei die Belohnung dafür, dass sich Christian Wulff in seiner damaligen Eigenschaft als niedersächsischer Ministerpräsident im Jahr 2009 persönlich für einen Grundlagenvertrag zwischen VW und Porsche eingesetzt hat. Und genau dieses Engagement von Wulff diente auch den Interessen der BW-Bank bzw. deren Muttergesellschaft LBBW. Denn die LBBW wäre ansonsten durch Milliardenkredite an Porsche in eine Schieflage geraten und wäre ohne diesen von Christian Wulff beförderten Grundlagenvertrag möglicherweise in ihrer wirtschaftlichen Existenz extrem gefährdet gewesen. War also der Hauskredit für Wulff ein ”spätes Dankeschön aus Baden-Württemberg”?

Eine Strafbarkeit nach § 331 StGB setzt zunächst voraus, dass es sich bei dem Abschluss des Grundlagenvertrags zwischen VW und Porsche um eine Diensthandlung des damaligen Ministerpräsidenten Wulff handelte. Tätig wurde Wulff hier als Mitglied des VW-Aufsichtsrates, dem der niedersächsische Ministerpräsiden kraft seiner Stellung als Landesoberhaupt angehört.

Aber ist jedes Handeln eines Ministerpräsidenten in einem Aufsichtsrat zugleich eine Diensthandlung im Sinne des Strafgesetzbuches? Die strafrechtliche Literatur definiert den Begriff der Diensthandlung wie folgt: "Eine Diensthandlung liegt vor, wenn die Tätigkeit des Amtsträgers in den Bereich seiner amtlichen Funktion fällt und von ihm nur vermöge seines Amtes vorgenommen werden kann." Da der niedersächsische Ministerpräsident als Vertreter seines Landes im Aufsichtsrat von VW sitzt, handelt er dort wohl auch im dienstlichen Auftrag.

Außerdem muss dem Täter ein Vorteil zugeflossen sein. Bei dem in der Presse genannten Zinssatz von 0,9 bis 2,1 Prozent für das Darlehen der BW-Bank liegt ein derartiger Vorteil auf der Hand. Und diesen Vorteil hat Christian Wulff zweifellos auch angenommen, als er den Darlehensvertrag zu ungewöhnlich niedrigern Zinsen mit der BW-Bank abschloss.

Schwerer nachzuweisen dürfte jedoch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Wulff im VW-Aufsichtsrat und der späteren Darlehensvergabe sein. Der Strafrechtler spricht in diesem Zusammenhang von der so genannten Unrechtsvereinbarung. Deshalb gehen wir davon aus, dass es nicht zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundespräsidenten kommen wird. Auch kann dem Bundespräsidenten der erforderliche Vorsatz bezüglich der Vorteilsannahme nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die überaus vorteilhaften Darlehenskonditionen sind zwar völlig untypisch und werden Privatpersonen im Regelfall von der BW-Bank niemals gewährt. Aber hieraus kann man nicht zwingend den Schluss ziehen, dass der Darlehensvertrag den Tatbestand des § 331 StGB erfüllt.

urbs-media Praxistipp: Viele Leser dieses Artikels mögen jetzt einwenden, das hier vertretene Ergebnis sei höchst ungerecht. "Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen!" Dieser Einwand ist durchaus richtig. Aber der deutsche Staat wird sich niemals soweit der internationalen Lächerlichkeit preisgeben, den Bundespräsidenten für eine "Lappalie" anzuklagen. Verstehen Sie die urbs-media Redaktion bitte nicht falsch: Von einer Lappalie sprechen wir deswegen, weil in der Politik tagtäglich ganz andere "Dinger gedreht" werden und die jährlichen Zinsvorteile von ca. 7.000 Euro in der Sprache eines Herrn Ackermanns noch nicht einmal "Peanuts" sind.

Eine besonders pikante Wendung erhält das Engagement von Christian Wulff im VW-Aufsichtsrat durch eine Schadensersatzklage in Milliardenhöhe von insgesamt ca. 70 Banken. Die Kläger werfen Christian Wulff vor, die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche falsch informiert zu haben und seinen Pflichten als Aufsichtsratsmitglied nicht nachgekommen zu sein. Wie die Frankfurter Allgemeine in ihrer Ausgabe vom 6.1.2012 berichtet, geht es insgesamt um einen Betrag von 1,8 Mrd. Euro, den die Kläger nun von Christian Wulff als Schadensersatz fordern.

Was auf jeden Fall bleibt ist ein dauerhafter Vertrauensverlust in das politische System in Deutschland. Dieses Vertrauen kann auch nicht wiederhergestellt werden, wenn sich der Bundespräsident "freiwillig" zum Rücktritt entschließen würde. Denn die Menschen in Deutschland werden den so genannten "lebenslangen Ehrensold" für einen ausgeschiedenen Bundespräsidenten in Höhe von jährlich ca. 200.000 Euro als Verhöhnung empfinden. Und so fordert nicht nur der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotte, Christian Wulff möge auf seine lebenslange "Apanage" verzichten und in sein Haus in Burgwedel zurückkehren.



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