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Cross-Border-Leasing: Neue Millionenforderungen der internationalen Finanzbranche gegen deutsche Gemeinden


urbs-media, 3.2.2014: An dieser Stelle haben wir wiederholt vor den enormen finanziellen Risiken beim so genannten Cross-Border-Leasing gewarnt. So konnten die Leser dieser Webseite z.B. in unserem Update vom 8.12.2003 erfahren, mit welchen perfiden Vertragskonstruktionen sich die amerikanischen Leasinggeber gegen eventuelle Verlustrisiken abgesichert haben. Trotz entsprechender Warnungen in der juristischen Fachpresse wurden derartige steueroptimierten "Scheingeschäfte" von deutschen Städten und Gemeinden sowie von deren Eigenbetrieben weiterhin abgeschlossen.

Wie funktionierte Cross-Border-Leasing?

Cross-Border-Leasing (CBL) ist ein Leasing, bei dem der Leasinggeber und der Leasingnehmer ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben. In der Regel wird CBL genutzt, um eine unterschiedliche Gesetzgebung in zwei Ländern auszunutzen und dadurch Steuern zu sparen bzw. zu vermeiden. So haben z.B. die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Mehrzahl ihrer U-Bahn- und Straßenbahnwagen an einen amerikanischen Investor "verkauft" und anschließend zurückgemietet (geleast). Die US-Firma konnte dann in den Staaten die steuerlichen Abschreibungen für die Auslandsinvestition geltend machen und beide Parteien haben sich den Gewinn geteilt. So sollen für dieses Geschäft knapp 70 Mio Euro in den Berliner "Stadtsäckel" geflossen sein.

Der Haken an derartigen Geschäften verbarg sich jedoch im Kleingedruckten. So übernahmen die deutschen Vertragspartner in den oftmals über 100 Seiten dicken englischen Verträgen unkalkulierbare Haftungsrisiken. Um das Geschäft für die Amerikaner abzusichern, verbürgten sich die Hypo-Vereinsbank, die Landesbank Berlin (LBB) und die Credit Suisse für die ordnungsgemäße Vertragsabwicklung. Im Vertrag hieß es hierzu, es müsse sich um Kreditinstitute mit erstklassiger Bonität handeln.

Wie die Berliner zweimal ins Klo gegriffen haben

Weil jedoch die Landesbank Berlin im Zuge der Finanzkrise in finanzielle Schwierigkeiten geriet und eine Privatisierung diskutiert wurde, drohte mit dem Wegfall der staatlichen Haftung eine Herabstufung der LBB. Und so vereinbarten die Berliner Verkehrsbetriebe mit der US-Bank JP Morgan, die Absicherung des Leasingvertrags von den drei Großbanken auf insgesamt 150 kleinere US-Finanzinstitute zu übertragen, die ihrerseits damals von den Rating-Agenturen mit AAA bewertet wurden. Das Sicherungsgeschäft hatte zum damaligen Zeitpunkt ein Volumen von gut 200 Mio. US-Dollar.

Und weil sich die Finanzkrise in den USA ständig verschärfte, gingen zahlreiche der besicherten Institute pleite und die US-Bank JP-Morgan suchte nach einem Dummen, der die Zeche bezahlt. Dieser Dumme kommt natürlich immer aus Deutschland, im vorliegenden Fall traf es die Berliner Verkehrsbetriebe. Die wurden nämlich von der US-Bank auf Zahlung von umgerechnet 155 Mio. Euro verklagt.

Der Prozess um das deutsche Geld findet in England statt

Zuständig für den Haftungs-Prozess ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs der High-Court in London. Damit sind die Berliner mit dem Versuch, die Sache vor dem Landgericht Berlin auszufechten, endgültig gescheitert.

Die ganze Angelegenheit wird noch dadurch kompliziert, dass die Berliner Verkehrsgesellschaft der Anwaltskanzlei Clifford Chance mit der Vorwurf der Falschberatung den Streit verkündet haben. Im englischen Prozessrecht nennt man dieses Vorgehen "Third Party Claim". Nun behauptet Clifford Chance jedoch, nie für die BVG tätig gewesen zu sein, sondern nur im Auftrag der US-Bank JP Morgan Gutachten erstellt zu haben. Die Streitverkündung wäre demnach unzulässig.

Es kommt aber noch toller

Die Berliner Verkehrsbetriebe verteidigen sich gegen die 155 Mio. Euro-Klage mit der skurrilen Behauptung, man habe die finanzielle Bedeutung des Sicherungsgeschäfts nicht verstehen können. Denn der für die BVG handelnde Dr. Matthias Meier sei in derartigen Finanzgeschäften völlig unerfahren gewesen. Er habe daher die finanziellen Auswirkungen des Sicherungsgeschäfts überhaupt nicht überblicken können und außerhalb seiner Befugnisse gehandelt. Der Vertrag sei deshalb nichtig.

Wir zweifeln in diesem Zusammenhang schon daran, ob eine derartige Behauptung juristisch überhaupt relevant ist. Denn dann könnte jedes Unternehmen einen "Deppen" in die Verhandlungen schicken und wäre im Schadensfall fein raus. So mag eine Hausfrau erfolgreich im Prozess gegen Anlagebetrüger argumentieren, bei einem milliardenschweren städtischen Unternehmen erntet man vor Gericht mit einer derartigen Einlassung aber nur Spott und Hohn.

Die Prozessstrategie der Berliner wird zusätzlich dadurch unglaubwürdig, dass sich der damalige Verhandlungsführer der BVG in seinem Lebenslauf damit rühmt, bei den Vekehrsbetrieben für den Bereich Sonderfinanzierungen zuständig gewesen zu sein und jetzt als Finanzberater arbeitet. Dumm für die Berliner BVG ist außerdem, dass der Aufsichtsrat der BVG unter seinem damaligen Vorsitzenden Thilo Sarrazin das Millionen-Geschäft abgesegnet hat.

urbs-media Praxistipp: Der Prozess in England wird sich vermutlich über Monate, wenn nicht gar Jahre hinziehen. Am Ende aber gilt die von der urbs-media Redaktion schon im Dezember 2003 für derartige Fälle genannte Weisheit: "Der Weihnachtsmann wohnt nicht in Amerika und macht deutschen Kommunen auch keine Geschenke". Unter dem Strich zahlen immer die Dummen. Und dies sind hier wieder einmal die Deutschen, die den Amerikanern für eine Einmalzahlung von 70 Mio. Euro über 150 Mio. Euro an notleidenden Krediten abgenommen haben. Für einen Euro Einsatz haben sich die Berliner Finanzgenies also mehr als zwei Euro Verlust aufdrücken lassen. Der Fall Berliner BVG beweist damit erneut, dass man sich als Deutscher grundsätzlich niemals und unter keinen Umständen mit dem internationalen Finanzkapital einlassen darf!



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