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Welche Wahl lässt uns die Krise?

Leserkommentar von Carmen Blasberg-Päth

Vorbemerkung der urbs-media Redaktion (7.6.2010): In unserem Kommentar vom Mai 2010 mit dem Titel "Neben der internationalen Finanzkrise leiden die Menschen in Deutschland unter einer nationalen Informationskrise" hatten wir unter anderem individuelles Fehlverhalten von Bankern und Politikern als Ursache für die gegenwärtige Krisensituation ausgemacht. Der nachfolgende Leser-Kommentar betrachtet die Ursachen der Krise aus einem grundsätzlich anderen Blickwinkel: Nicht individuelles Fehlverhalten, sondern quasi ein evolutionsbedingter "Geistesdefekt" ist daran schuld, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten aus den vorangegangenen Wirtschaftskrisen keine Lehren gezogen haben.

Welche Wahl lässt uns die Krise? Wie es aussieht die zwischen Weitermachen wie bisher oder gründlich umdenken. Wohin man schaut, regieren Ideologien, die bewusst oder unbewusst im Dienste der Rechtfertigung von Interessen stehen. Interessen zersplittern die Welt, verhindern den Blick auf die Ganzheitlichkeit menschlichen Lebens. Die Durchsetzung von Interessen und ihre ideologischen Rechtfertigungen durchziehen die gesamte bekannte Geschichte der Menschheit, erzeugten Aufstieg und Untergang von Völkern, Nationen und Imperien und waren durchtränkt von den größten, kaum vorstellbaren Grausamkeiten von Menschen an Menschen. Das Scheitern einer weiteren Ideologie liegt in der Luft. Das kapitalistische Wirtschaftssystem ließ einen Geist aus der Flasche, der nicht mehr einzufangen zu sein scheint. Deregulierung, Privatisierung, das Postulat von den Selbstreinigungskräften der Märkte, die Forderungen sind bekannt - alles ideologische Rechtfertigungen für das Streben nach Geld, nach Profit und Macht, globalisiert. Die Menschheit will bis heute nicht sehen, wie Menschen funktionieren und was sie antreibt. Deshalb fällt es schwer, die Ideologien, die nur eine Verschleierung der wahren Interessen sind, zu erkennen.

Ignoranz als Wächter vor dem Tor des Bewusstseins

Die Verschleierung aufgeben, Fehler erkennen, Irrtümer eingestehen, sich von anderen Ideologen an den Pranger stellen lassen, das Scheitern ertragen, die Niederlage? Auf unbequeme Fragen ehrliche Antworten zu geben, sich die Wirkung von Manipulation und Meinungsmache durch andere einzugestehen? Die eigene Macht in Frage stellen? Man frage sich ehrlich, wer hält das schon aus?

So gehen die Rechtfertigungen in der jetzigen Krise weiter. Analysen von Ursachen, Wirkungen und Konsequenzen der Krise fallen der Verdrängung und Ignoranz zum Opfer, die angeborenen Wächter vor dem Tor des Bewusstseins. Die haben Macht, große Macht. Fördern die Bequemlichkeit, mit gutem Gewissen ein Funktionär oder Opportunist zu sein, in der Herde mitzulaufen, egal in welche Richtung. Sie erlauben Folter und Mord und den Hunger von Millionen. Die Schuld wiegt schwer und so rüsten die Wächter auf, bauen neue Rechtfertigungszäune. Wenn die nicht mehr reichen, gibt es neue, noch höhere Mauern. Das Erkennen ist erklärter Feind. Wenn am Ende alles zusammenbricht, werden die mit der größten Aufrüstung vor ihrem Bewusstsein noch immer eine Rechtfertigung finden. Von allen dabei ist die beste, unschlagbar, blendend wie die Sonne, wenn man ungeschützt in ihre Richtung sieht, die Aussage, der Mensch ist wie er ist. Was soll man dem entgegen halten?

Der Mensch ist wie er ist

Natürlich ist er wie er ist. Wirklich? Ja, aber, auch wieder nicht. Da gibt's doch noch etwas. So selbstverständlich, wie Menschen sagen, der Mensch ist wie er ist, redet er vom gesunden Menschenverstand. Den darf man wohl nicht in Zweifel ziehen. Gäbe es ihn nicht, gäbe es womöglich die Menschheit nicht (mehr). In diesem Augenblick der Zeitgeschichte fristet der menschliche Verstand jedoch ein kümmerliches Dasein. Meinte der Mensch doch, sich außerhalb seines gesunden Menschenverstandes vieler natürlichen Wurzeln seiner Existenz entledigen zu müssen. Braune Erde gegen Keimlinge auf mineralstoffgetränkten Wattebäuschchen, Vitaminpillen versus rot grünem Apfel und das Spiel mit Billionen. Die Liste ist lang, sehr lang. Dokumentiert von denen, die noch auf den gesunden Menschenverstand bauen. Die ihn verstreut, versteckt in Zeitungsartikeln, klugen Büchern, mutigen Magazinsendungen, Internetblogs oder in Leserzuschriften zum Ausdruck bringen. Aber, die Betonung liegt auf verstreut. Vereinzelt, kleingruppig sind seiner Gestaltungsmacht enge Grenzen gesetzt. Denn der mächtigste Gegner des gesunden Menschenverstandes ist bis heute in die "Moderne" hinein der Wunsch des Menschen, die Welt nach seinen Vorstellungen zu formen. Aus Ideen wird Zukunft. Die Vorstellung entspringt dabei seinen subjektiven Interessen oder denen einer Gruppe, ist kulturell vorgeformt und somit immer Ideologie. Sie ist die Lokomotive, die unsere unstillbare Lust nach Freiheit, Selbstverwirklichung, nach unbegrenzter Herrschaft in alle Winkel der Erde befördern will.

Den Kapitalismus gibt es, seit die Menschheit sesshaft wurde und Besitz und Eigentum bildete. Dieser Besitz wurde verteidigt wie einst die Höhle und das Stück Natur, in der sich Urmenschen bewegten. Während die Urvorfahren weiterzogen, neues Land suchten, um ihr Überleben zu sichern, eroberte der sesshafte Kulturmensch neues Land, um es in seinen Besitz zu bringen, noch mehr Eigentum zu erwerben, Profit zu machen. Zur Durchsetzung seiner Interessen bediente er sich all der Triebe, mit denen die Menschheit im Dienste der Arterhaltung durch die Natur ausgestattet wurde. Lust im Dienste der Vermehrung, Aggression im Dienste des Tötens zur Nahrungsfindung, Haben wollen im Dienste der Hungerbefriedigung, Furcht und Angst im Dienst der Gefahrenwahrnehmung, Zuneigung im Dienst der Aufzucht von Nachwuchs. Dazu ein flexibles Gehirn, das vielfältige Anpassungen und Lösungen zum Überleben möglich machte. Dieses Gehirn ist es, das die unbestritten höchsten kulturellen Leistungen der Menschheit hervorgebracht hat. Leistungen, die sie scheinbar von der als unüberwindlich erscheinenden Natur der Urzeit unabhängiger gemacht hat.

Weiter so bis zur zum nächsten Irrtum

Die Menschheit vermehrte sich, immer schneller, die Natur war nur noch ein nachgeordneter Feind, der die Überlebenstriebe nicht mehr an sich binden konnte. Die Triebe aber blieben, archaisch, unauslöschlich. Deshalb ist der Mensch wie er ist. Und ist blind geworden für die Transformation seiner Triebe von der Natur auf seine Mitmenschen, die potenziellen Konkurrenten im kulturellen Überlebens- und Gestaltungskampf. Die Fähigkeit zu unterscheiden zwischen Ich und Du führte in der kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit immer mehr zur Betonung des Ich und beförderte mehr und mehr den Egoismus. Jeder Mensch ist ein kleines in sich geschlossenes Universum mit allen Anlagen, die die Natur vorgesehen hat. Wie sich eine menschliche Gemeinschaft mit Millionen von Universen organisiert, ist nicht durch Instinkte festgelegt, sie erfolgt kraft des Gestaltungswillens des Menschen selbst.

Wenn Egoismus die Quelle der Gestaltung ist, werden menschliche Gemeinschaften zerstört. Verbarg sich hinter dem Wunsch nach weltweitem Handel und der Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftsystems seit je der Egoismus, trat er seit den achtziger Jahren in seiner bisher unverschämtesten Art auf. Er gebärdet sich wie ein kleines Kind, das seinen Kopf durchsetzen will, weil es Regeln und Grenzen noch nicht kennt. Die mediale Sprache spiegelt dies wider in Worten wie Spielwiese, Tummelplatz, Casino, Spiel der freien Kräfte etc. Die Welt ist kein Spielplatz für egoistische kleine Kinder, die aus Sand Geld machen wollen. Die Welt des Menschen im Käfig Erde, die über alle Kontinente hinweg zusammengewachsen ist, braucht erwachsene Menschen mit Verantwortungsgefühl und einem Empfinden für das Du in jedem Menschen über alle kulturellen Unterschiede hinweg. Die Menschheit muss erwachsen werden, sonst verschwindet sie eines Tages von der Erde, weil kleine Kinder ohne Führung und Pflege in der Natur nicht überleben können.

Wenn der gesunde Menschenverstand weiterhin sein kümmerliches Dasein fristet, wird uns die Krise wohl keine Wahl lassen. Dann muss erst wieder alles zusammenbrechen. Und wieder werden Generationen von Menschen die Frage nach dem Warum zu klären versuchen - bis zum nächsten Irrtum.

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