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Der deutsche Staat zeigt sich bei der Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haftzeiten besonders knauserig


urbs-media, 2.3.2009: Beim Preis, den wir Deutschen für die Freiheit zahlen sollen, wird von der Bundesregierung offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Wenn es darum geht, die Bürger vor möglichen Gefahren terroristischer Anschläge zu schützen, dann wird das Grundgesetz regelmäßig verbogen und verfassungsrechtliche Grundrechte (z.B. Post- und Fernmeldegeheimnis , Unverletzlichkeit der Wohnung, Recht auf körperliche Unversehrtheit) bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt. Denken wir nur an die Vorratsdatenspeicherung, den großen Lausch- und Spähangriff oder den Abschuss von möglicherweise entführten Verkehrsflugzeugen. Geht es aber darum, dass der Staat seine Bürger für ungerechtfertigte Freiheitsentziehungen entschädigen soll, dann herrscht plötzlich Ebbe in der Kasse und die Betroffenen werden wie Bettler behandelt.

Fehlurteile sind bei weitem keine seltene Ausnahme

Juristen sind auch nur Menschen und können daher genauso irren wie alle anderen Berufsgruppen auch. Während aber z.B. ärztliche Kunstfehler im Regelfall unter der Erde auf dem Friedhof enden, landen die Opfer falscher Strafgerichtsurteile oft für Jahre unschuldig hinter Gittern. Wie schwer es in Deutschland ist, rechtskräftige Strafgerichtsurteile wieder aus der Welt zu schaffen, zeigt das Urteil gegen den 65-jährigen Rentner Johann Lettenbauer wegen angeblichen Doppelmords: Erst im Alter von 83 Jahren wurde er nach Verbüßung seiner Haftstrafe nachträglich freigesprochen, weil der wirkliche Täter mehr zufällig den 1947 begangenen Mord gestanden hatte.

Wie reagiert nun die deutsche Justiz und die Politik auf derartige Fehlurteile? Zuerst einmal mit Ablehnung, denn ein verurteilter Straftäter gilt solange als schuldig, bis er seine Unschuld bewiesen hat oder der wirkliche Täter vor der Staatsanwaltschaft ein Geständnis ablegt. Dabei spielt es auch keine Rolle, wenn bereits anlässlich des Strafverfahrens die Fehlerhaftigkeit der Anklage praktisch mit Händen zu greifen war. Das Problem wird dadurch verstärkt, dass sich viele Anwälte zwar als Verteidiger in Strafsachen versuchen, von Kriminalistik und Strafprozessrecht aber nur wenig Ahnung haben. Wenn dann insbesondere bei Kapitalverbrechen in der Revision vor dem Bundesgerichtshof nur noch eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler erfolgt, dann haben selbst erfahrene Strafverteidiger kaum noch eine Chance, falsche Tatsachenfeststellungen in der Vorinstanz zu korrigieren.

11 Euro für die Freiheit

In einem sozialen Rechtsstaat sollte man meinen, der Staat habe ausreichend Vorsorge dafür getroffen, dass unschuldig Verurteilte oder freigesprochene Untersuchungsgefangene für das erlittene Unrecht gerecht und großzügig entschädigt werden. So betrachtet kann man an der gesetzlich geregelten Haftentschädigung unmittelbar ablesen, was den Politikern in unserem Land die Freiheit in Euro und Cent wirklich wert ist. Geregelt ist die Haftentschädigung im "Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen" (StrEG) vom 8.3.1971.

Und dort heißt es in § 7 Abs. 3 StrEG, dass für dien Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, pro angefangenen Tag der Freiheitsentziehung 11 Euro gezahlt werden. Dieser Betrag hat auch schon die Euro-Einführung überstanden, denn zuvor lag die Haftentschädigung seit 1987 bei 20 DM. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, werden in der Praxis von der zusätzlichen Entschädigung für den Verdienstausfall pro Tag noch 6 Euro für die Kosten für "Unterbringung und Betreuung" abgezogen.

Deutsche Politiker verweigern sich einer deutlichen Anhebung der Entschädigungssätze

Schon seit einiger Zeit fordert der Deutsche Anwaltsverein (DAV) eine deutliche Anhebung der Entschädigungssätze, und zwar auf 100 Euro pro Tag. Die Justizminister der Bundesländer verweigern sich jedoch diesem Ansinnen und lehnen entweder jede Erhöhung ab oder wollen den Höchstsatz auf 15 oder 17 Euro pro Tag festsetzen. Lediglich Berlin folgte dem Vorschlag des DAV und unterstützt einen Entschädigungssatz von 100 Euro für jeden Tag der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung. Derzeit soll es einen Kompromissvorschlag der Justizministerkonferenz geben, wonach zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt die Haftentschädigung auf 25 Euro pro Tag festgesetzt wird.

Vergleicht man diese zukünftigen Entschädigungssätze für Justizopfer mit den Beträgen, die Gerichte Pauschalreisenden bei Reisemängeln für entgangene Urlaubsfreuden zusprechen, dann bekommt man schon arge Beklemmungen. Denn die Zivilgerichte gewähren in derartigen Fällen den Betroffenen pro Kopf und Tag eine Entschädigung in Höhe von 50 bis 100 Euro zu. Gemessen an dem Erholungswert eines Aufenthalts in einer engen Gefängniszelle herrscht hier doch wohl ein eklatantes Missverhältnis!

Dass es auch anders geht, zeigt z.B. unser Nachbarland Österreich, wo Justizopfer üblicherweise mit 100 Euro pro Hafttag entschädigt werden. Zumindest finanziell auf der Gewinnerseite ist auch derjenige, der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Entschädigungsklage wegen zu Unrecht erlittener Auslieferungshaft aufgrund eines europäischen Haftbefehls erhebt: Hier wurde einem Betroffenen für 12 Stunden Haft bereits im Jahr 1987 eine Entschädigung von 100.000 Französischen Francs (umgerechnet etwa 15.000 Euro) zugesprochen.

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