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Wie sich die etablierten Parteien die Landtagswahlergebnisse in Hessen und in Niedersachsen schön rechnen


urbs-media, 4.2.2008: Wie üblich gab es auch nach den Landtagswahlen am 27.1.2008 in Hessen und in Niedersachsen fast nur Gewinner. Wenn man die in den Medien wiedergegebenen Endergebnisse mit den Veränderungen in Prozentpunkten betrachtet, haben mit Ausnahme der CDU die Parteien fast nur hinzugewonnen. Kein Wunder, dass sich die Spitzenpolitiker bis hinauf nach Berlin in maßloser Selbstbeweihräucherung üben und den Wahlausgang als Plebiszit für die Fortsetzung ihrer Politik bewerten.

Was in den veröffentlichten Wahlergebnissen jedoch fehlt, ist die Zahl der abgegebenen Stimmen. Berücksichtigt man z.B. die hohe Zahl von Wahlverweigerern in Niedersachsen, dann hat die CDU von Ministerpräsident Wulff ca. 470.000 Stimmen verloren und somit gut ein Viertel ihrer Wähler eingebüßt. Ein Wahlsieg sieht nach Meinung der urbs-media Redaktion daher nun wirklich anders aus!

Alles eine Frage der Perspektive in Niedersachsen

Das Wahlergebnis in Niedersachsen lautet ausgedrückt in Prozent der abgegebenen Stimmen wie folgt:

Landtagswahl in
Niedersachsen
Wahl-Ergebnis 2008
in Prozent
Wahl-Ergebnis 2003
in Prozent
Veränderung in
Prozentpunkten
  CDU 42,5 48,3 – 6,1
  SPD 30,3 33,4 – 3,1
  FDP 8,2 8,1 + 0,1
  Grüne 8,0 7,6 + 0,4
  Die Linke 7,1 0,5 + 6,6

Was diese Zahlen nicht direkt vermitteln, ist jedoch die Zahl der tatsächlichen Stimmen für die einzelnen Parteien und deren Veränderung in Prozent (nicht Prozentpunkten) im Vergleich zur letzten Landtagswahl im Jahr 2003. Hier fällt sofort auf, dass die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen im Jahr 2008 mit ca. 3,42 Mio. um 561.457 unter dem Wert des Jahres 2003 liegt (– 14,9 Prozent). Die Wahlbeteiligung sank somit von 67,0 Prozent im Jahr 2003 auf den historischen Tiefststand von 57,0 Prozent im Jahr 2008.

Die CDU von Wahlsieger Wulff muss einen Stimmenrückgang von 469.368 Wählern verkraften und verliert im Vergleich zum Jahr 2003 knapp ein Viertel ihrer bisherigen Wähler. Schwere Verluste bei den Wählerstimmen gab es auch für die SPD (– 22,12 Prozent), die FDP (– 13,47 Prozent) und die Grünen (– 10,04 Prozent). Gewonnen hat mit einem Zuwachs von 221.546 Stimmen also nur die Linke und obwohl in den Veröffentlichungen FDP und Grüne ihren Stimmenanteil um 0,1 Prozentpunkt bzw. 0,4 Prozentpunkte verbessern konnten, haben auch diese Parteien effektiv insgesamt über 70.000 Wähler eingebüßt und damit an demokratischer Legitimation verloren.

Landtagswahl in
Niedersachsen
Wahl-Ergebnis 2008
in Stimmen
Wahl-Ergebnis 2003
in Stimmen
Veränderung in
Stimmen
Veränderung in
Prozent
  Wahlberechtigte 6.088.430 6.023.636 + 64.794 + 1,1
  gültige Zweit-Stimmen 3.422.552 3.984.009 – 561.457 – 14,9
  CDU 1.455.687 1.925.055 – 469.368 – 24,4
  SPD 1.035.894 1.330.156 – 294.262 – 22,1
  FDP 279.557 323.107 – 43.550 – 13,5
  Grüne 273.934 304.532 – 30.598 – 10,0
  Die Linke 243.106 21.560 + 221.546 + 1.027,6

Die CDU in Hessen verliert weniger als die CDU in Niedersachsen

Das Wahlergebnis in Hessen ist eigentlich eindeutig: Bei praktisch unveränderter Wahlbeteiligung (64,3 Prozent im Vergleich zu 64,6 Prozent im Jahr 2003) bekommt Ronald Koch einen auf die Mütze und verliert im Vergleich zu den letzen Landtagswahlen 12 Prozentpunkte. Auch die Grünen müssen in Hessen eine schwere Niederlage einstecken und verlieren 2,6 Prozentpunkte. Dagegen können sich die übrigen Parteien in Hessen eindeutig als Sieger fühlen.

Landtagswahl in
Hessen
Wahl-Ergebnis 2008
in Prozent
Wahl-Ergebnis 2003
in Prozent
Veränderung in
Prozentpunkten
  CDU 36,8 48,8 – 12,0
  SPD 36,7 29,1 + 7,6
  FDP 9,4 7,9 + 1,5
  Grüne 7,5 10,1 – 2,6
  Die Linke 5,1 + 5,1

Auf den ersten Blick etwas verwirrend ist jedoch die Tatsache, dass die CDU in Hessen trotz ihrer hohen Verluste unter dem Strich sogar etwas weniger an Wählerzustimmung verliert als der so genannte Wahlsieger Wulff in Niedersachsen. Denn einem Verlust von 324.114 Stimmen (– 24,29 Prozent) für die Hessen-CDU steht in Niedersachsen ein Verlust der CDU von 469.368 Stimmen (– 24,38 Prozent) gegenüber.

Landtagswahl in
Hessen
Wahl-Ergebnis 2008
in Stimmen
Wahl-Ergebnis 2003
in Stimmen
Veränderung in
Stimmen
Veränderung in
Prozent
  Wahlberechtigte 4.370.403 4.330.792 + 39.611 + 0,9
  gültige Stimmen 2.742.709 2.734.992 – 7.717 – 0,3
  CDU 1.009.749 1.333.863 – 324.114 – 24,3
  SPD 1.006.154 795.576 + 210.578 + 26,5
  FDP 258.554 216.110 + 42.444 + 19,6
  Grüne 206.606 276.276 – 69.670 – 25,2
  Die Linke 140.488 + 140.488

Das Verwirrspiel mit Prozenten und Prozentpunkten

Viele werden sich nun fragen, wie man ausgehend vom gleichen Zahlenmaterial zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Das Geheimnis: Die Politiker und die Wahlforscher in Deutschland rechnen Veränderungen immer in Prozentpunkten und verschleiern damit das wahre Ausmaß der Veränderungen. Der zweite Mangel der amtlichen Wahlstatistiken: Die Zahl der Wahlberechtigten und die Zahl der tatsächlich abgegebenen gültigen Stimmen werden bei der Wahlstatistik nicht ausreichend berücksichtigt. Es liest sich für die Politiker halt besser, wenn es z.B. in Niedersachsen heißt, dass CDU und FDP zusammen 50,07 Prozent der Wähler repräsentieren. Nur dass diese Wähler eben nur einen Teil der Wahlberechtigten ausmachen und dass die zahlenmäßig stärkste Partei die der Nichtwähler ist, das vergisst man gerne.

Wir wollen daher für Niedersachsen einmal eine alternative Rechnung aufmachen: Von 6.088.430 Wahlberechtigten haben nur 3.422.552 Personen tatsächlich eine gültige Zweit-Stimme abgegeben. Der Anteil der Nichtwähler bzw. derjenigen Wähler in Niedersachsen, die mit ihrer Zweitstimme ungültig gewählt haben, liegt somit bei 2.665.878 Personen. Mit anderen Worten: 43,78 Prozent der Niedersachsen haben den zur Wahl stehenden Parteien ihre Zustimmung versagt! Zählt man dagegen die CDU-Stimmen und die FDP-Stimmen zusammen, kommt man nur auf 1.735.244 Wähler, die diese Regierungskoalition stützen. Bezogen auf die Zahl der Wahlberechtigten insgesamt repräsentiert die CDU-FDP-Koalition also nur 28,5 Prozent der niedersächsischen Bürger.

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