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Urlaubsreisen für Plüschtieren und virtuelle Welten dokumentieren den fortschreitenden Realitätsverlust der Menschheit


urbs-media, 6.8.2007: Bereits in seinem Fernsehfilm "Welt am Draht" aus dem Jahre 1973 hatte der deutsche Regisseur Rainer Werner Fassbinder den Zuschauern eine Welt vorgestellt, die sich ausschließlich im Computer abspielt. Diese erste filmische Darstellung einer virtuellen Realität endete mit der Erkenntnis, dass auch die vermeintlich Realität nicht die wirkliche Welt ist, sondern ebenfalls nur eine Simulation, die von einer höheren Ebene aus programmiert wurde.

Urlaubsreisen für stressgeplagte Teddybären

Urlaub für Kuscheltiere? Sie haben richtig gelesen, so etwas gibt es in Deutschland tatsächlich. Für nur 99 Euro genießt das Bärchen z.B. eine 7-tägige Reise nach München mit Vollpension und ausgeklügeltem Animationsprogramm. In der Werbung des Veranstalters heißt es dann weiter: "Unerschrockene Plüschtiere können ohne Aufpreis an trendigen Fun-Sportarten, wie z.B. Paragliding oder Bungee-Jumping teilnehmen". Die urbs-media Redaktion kennt zwar mehrere solche Reise-Angebote, wir können uns aber beim besten Willen nicht die dazugehörigen Schwachköpfe vorstellen, die ihr Geld für derartigen Unsinn ausgeben.

Ob der geliebte Staubfänger aus Plüsch nun die Urlaubsreise genossen hat, dies bleibt doch hauptsächlich der (kranken) Vorstellungskraft seines Besitzers vorbehalten. Zur Erinnerung: Nur wenige Jahre vor Einführung des Euro konnte man für 199 Deutsche Mark noch wirklich Urlaub machen, und zwar einschließlich Anreise, Unterkunft und Verpflegung. Und wer da auf einige Klamotten im Koffer verzichtet hatte, der konnte seine Plüschtiere "all inclusive" an der Playa de Palma am Ballermann auslüften.

Die Steigerung des Irrsinns: Leben im Second Life

Kann der Teddy auf seiner Erholungsreise zumindest eine reale Ortsveränderung vorweisen und diese mit Urlaubsfotos vom Veranstalter belegen, findet das virtuelle Leben von Second Life dagegen ausschließlich im Computer statt. Das einzig Reale hier sind die Kosten, die die Nutzer dafür bezahlen, dass ihre Avatare (künstliche Gestalten) in Edelklamotten durch diese künstliche Computerwelt schlürfen und sich in virtuellen Villen auf imaginären Sofas hinfläzen dürfen. Da bewahrheitet sich die Erkenntnis aus dem richtigen Leben: Viele Menschen geben ihr Geld hauptsächlich für Sachen aus, die sie nicht brauchen, um damit Menschen zu imponieren, die sie noch nicht einmal kennen.

Die Zahl der bei Second Life eingeschriebenen Nutzer beträgt derzeit (je nach Quelle) zwischen 4 und 7 Mio. Personen, Tendenz schnell steigend. Wie nicht anders zu erwarten, kommt die größte Nutzer-Gruppe aus den USA (ca. 30 Prozent), aber die Deutschen liegen mit ca. 10 Prozent bereits auf dem dritten Platz, nur knapp hinter den Franzosen (12 Prozent).

Echtes Geld für ein virtuelles Nichts

Das Leben im "Nichts" kann dabei ganz schon teurer werden, wenn man dort nicht wie ein Bettler auftreten will. Denn der Zugang zur virtuellen Scheinwelt ist nur dann kostenlos, wenn der Nutzer seine Kunstgestalt lediglich in Jeans und T-Shirt durch die Gegend schickt. Jedes Extra muss gegen Bares erkauft werden, und zwar mit sogenannten Linden-Dollars, die man für echte US-Dollar kaufen muss. Der Wechselkurs liegt im Schnitt bei 250 bis 290 Linden-Dollar für einen realen US-Dollar. Wer seinem Avatar z.B. statt des Einheitshemdchens ein virtuelles Designer-T-Shirt verpassen will, der muss dafür um die 100 Linden-Dollar losmachen.

Und wer dann in der Scheinwelt noch fiktiven Grund und Boden erwerben will, der muss richtig tief in den realen Geldbeutel greifen. So zahlt man z.B. in der deutschen Kolonie "Apfelland" für ein virtuelles Grundstück von 1.000 Quadratmeter echte 15 Euro Miete pro Monat. Aber als Deutscher will man ja auch im Internet wie im wahren Leben und im realen Urlaub unter sich bleiben und dem mit Designerklamotten herausgeputzten Avatar auf virtuellen Partys imaginäre Getränke hinter die Binde zu kippen. Eben echtes Geld für ein virtuelles Nichts. Und wo der Irrsinn zu Hause ist, da dürfen neben imaginären Nachtclubs natürlich auch virtuelle Bordelle und eine spezielle Ausgabe der deutschen Bild-Zeitung (AvaStar) nicht fehlen.

Die Justiz ist bei Second Life schon ganz real aktiv

Wirklich real bei Second Life ist offenbar nur die Justiz. Da fragt man sich in der realen Welt bei verschiedenen Staatsanwaltschaften doch allen Ernstes, ob Sex mit minderjährigen Avataren oder Geschlechtsverkehr zwischen menschlichen und tierischen Avataren strafbar ist. Hallo! Aufwachen ihr Rechtsfuzis: Das findet doch alles nur im Computer und in der Phantasie der Benutzer statt. Und bisher waren die Gedanken angeblich immer noch frei.

Das Treiben im Second Life ist mit Sicherheit kein Fall für die Justiz, sondern für den Irrenarzt. Hier gibt es ein breites Betätigungsfeld für Heerscharen von Seelenklempnern, die ihren Patienten den Unterschied zwischen Realität und Scheinwelt sowie zwischen wichtig und unwichtig beibringen müssen. Aber dies ist kein spezielles Problem des Internets, sondern ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Es ist halt viel einfacher, wenn Politiker mit riesigem Mediengetöse Scheinprobleme bekämpfen, anstelle sich real mit Arbeitsmarktpolitik, Gesundheitspolitik oder Bildungspolitik zu beschäftigen, um konkret die Lebensumstände der Menschen zu verbessern.

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