interessante Internet-Seiten
aktuelle
WEB-Tipps
www.urbs.de
Kommentare gegen die politische Demenz
Startseite von urbs-media - www.urbs.de  Homepage
Zur übersicht: Alle Kommentare von 2005  Übersicht

Wie man in Deutschland Wahlen gewinnt, ohne sich auf ein konkretes politisches Programm festzulegen


urbs-media, 6.6.2005: Wer als Ministerpräsident zusammen mit den Grünen die Landesregierung gestellt hat, der konnte wahrlich nicht beneidet werden. Dabei hätte die erste rot-grüne Koalition im Jahre 1985 eigentlich zugleich die letzte sein müssen. Bereits damals hatte Hessens Ministerpräsident Holger Börner (SPD) erkannt, dass in der Auseinandersetzung mit den Grünen nur eine Dachlatte hilft. Das Opfer dieser Verbalattacke war im übrigen ein gewisser Joschka Fischer, damals Umweltminister im Kabinett Börner. Obwohl dieses rot-grüne Experiment schon bald mit einem Knall endete, gab es danach auf Landesebene weitere rot-grüne Regierungsbündnisse und seit 1998 auch im Bund. Jetzt wurde die letzte in Deutschland noch verbliebene rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen abgewählt und auch die rot-grüne Bundesregierung steht unmittelbar vor ihrem Ende.

Lieber ein Haus im Grünen als einen Grünen im Haus

Dem ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und späteren Bundespräsidenten Johannes Rau wird der Satz zugeschrieben: "Lieber ein Haus im Grünen als einen Grünen im Haus." Glaubt man den politischen Auguren, dann hätte auch Schröder nach der letzten Bundestagswahl lieber eine Koalition mit der CDU gebildet, als die derzeitige rot-grüne Bundesregierung mit Joschka Fischer als Vizekanzler und Außenminister fortzusetzen.

Möglicherweise sieht Schröder in sofortigen Neuwahlen jetzt die Chance, in eine große Koalition mit der CDU zu flüchten; am liebste als Kanzler, notfalls auch als Vizekanzler. Eines dürfte der SPD-Führung jedenfalls klar sein: Bis zu den regulären Bundestagswahlen im Herbst 2006 hätte sich die SPD mit großer Sicherheit gespalten und die bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen mit 2,2 Prozent noch unbedeutende WASG könnte bis dahin zu einer echten Bedrohung für die traditionelle SPD werden.

Kommt es zu einer einheitlichen Linkspartei als Konkurrenz zur SPD?

Der Plan von Oskar Lafontaine, die in der WASG organisierten SPD-Dissidenten mit der PDS zusammenzuführen, steht unter enormem Zeitdruck. Es ist derzeit noch völlig offen, ob sich beide Parteien bis zur Bundestagswahl im September auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Und das könnte der wirkliche Grund sein, der den Bundeskanzler zu vorgezogenen Neuwahlen veranlass hat. Denn Experten geben einer von Lafontaine und Gysi geführten linken Oppositionsbewegung durchaus eine realistische Chance, als drittstärkste Kraft in den Bundestag einzuziehen. Eine derartige Allianz, unter welchem Namen sie dann auch immer auftreten mag, könnte dann zu einer ernsthaften Konkurrenz zu der unter Schröder eher als Wirtschaftspartei ausgerichteten SPD werden.

Dass Abspaltungen von der SPD nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sind, zeigt auch die jüngste Geschichte. Im Jahre 1917 führte die Zustimmung der SPD im Reichstag zu den Kriegskrediten zur Abspaltung der USPD. Diese "Unabhängige Sozialdemokratische Partei" war zu Beginn der Weimarer Republik mit 900.000 Mitgliedern sogar stärker als die SPD. Eine echte Massenbewegung wurden die linken Sozialdemokraten dann im Jahre 1920, als sich die USPD mit der KPD und dem Spartakusbund verbündete. Ganz offensichtlich, dass die SPD-Parteiführung alles daran setzt, eine Parteispaltung mit allen Mitteln zu verhindern.

Schröders letzte Schlacht oder ein genialer Schachzug?

Was in den Medien am NRW-Wahlabend als Überraschungscoup des Kanzlers bezeichnet wurde, nämlich die Ankündigung von Neuwahlen im September, war in Wahrheit bereits seit Monaten für denn Fall einer Niederlage bei den Landtagswahlen geplant. Dabei wussten eigentlich allen politischen Beobachter, dass ein derartiger Befreiungsschlag kommen wird. Lediglich die CDU-Führung zeigte sich nach Schröders Ankündigung äußert überrascht, was nicht gerade für die Fähigkeit von Merkel und Stoiber spricht, die politische Lage richtig einschätzen zu können. Aber was bezweckt der Bundeskanzler mit Neuwahlen zu einem Zeitpunkt, der für die SPD eigentlich nicht ungünstiger sein könnte? Denn Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass im September 2005 die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch einmal um 500.000 Personen auf dann 4,8 Mio. steigen wird.

Schröder setzt vermutlich darauf, dass die Funktionsträger aus dem Unionslager das offizielle Schweigegelübde ignorieren und sich in den verbleibenden knapp 100 Tagen bis zu den Neuwahlen selbst zerfleischen werden. So jagte bereits wenige Tage nach der NRW-Wahl ein unpopulärer Vorschlag aus den Reihen von CDU/CSU den nächsten und Schröder setzt vermutlich darauf, dass in diesem Chaos die Wahlchancen der Union sinken. Aber obwohl von den Politikern von CDU und CSU z.B. die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Lohnzuschläge, die Streichung der Pendlerpauschale und die Abschaffung der Eigenheimzulage angekündigt wurde, bei der letzten "Sonntagsfrage" stieg der Stimmenanteil von CDU und CSU noch einmal um gut 4 Prozentpunkte und liegt jetzt bei etwa 48 Prozent. So betrachtet steuert die SPD bei den kommenden Wahlen ganz massiv auf das ehemalige Traumziel der FDP zu, nämlich 18 Prozent.

Haben Sie schon einmal versucht, einen Pudding an die Wand zu nageln?

Der CDU-Wahlsieger Rüttgers hat in Nordrhein-Westfalen das Kunststück fertig gebracht, die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland ohne klares Programm und ohne Schattenkabinett für die Regierungsübernahme zu gewinnen. Nach 39 Oppositionsjahren in NRW reichte es der CDU, mit Parolen wie "Zeit für einen Wechsel" der SPD eine der schwersten Wahlniederlagen in der deutschen Geschichte beizubringen. Was die neue Landesregierung aus CDU und FDP wirklich plant und mit wem sie diese Pläne umsetzen will, für die Bürger in Nordrhein-Westfalen gibt es auch zwei Wochen nach der Wahl keine zufriedenstellenden Antworten auf diese Fragen.

Offensichtlich hat diese Strategie von Rüttgers auch die Bundespolitiker in der CDU und der CSU beeindruckt. Denn auch für die anstehende vorgezogene Bundestagswahl im September hat Frau Merkel die Devise ausgegeben, vor der Wahl lieber nicht allzuviel über die wahren Absichten zu verraten. Man will also auch im Bund wie zuvor in NRW die derzeitige Wechselstimmung ausnutzen und sich quasi von den Wählern einen Blankoscheck geben lassen. Das Ergebnis dieser Strategie: Die Führung von CDU und CSU zieht mit einem politischen Programm wie Pudding in den Bundestagswahlkampf 2005.

Vorwärts in die Vergangenheit oder rückwärts in die Zukunft?

Für die Bürger in Deutschland stellt sich die Frage, wie es nach der Bundestagswahl weitergeht. Und hier ist objektiv betrachtet kein Anlass für Euphorie. Gewinnt Schröder und bleibt es bei einer Zusammenarbeit von Rot-Grün, dann ändert sich nichts, weder an der grundsätzlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, noch an dem Unvermögen der Regierung, Entscheidungen gegen die Unionsmehrheit im Bundesrat durchzusetzen.

Aber auch ein Wahlsieg von Schwarz-Gelb dürfte für die Bevölkerung keine Verbesserung bringen. Seit sich Friedrich Merz aus der Bundespolitik verabschiedet hat, fehlt der CDU ein überzeugendes Steuerkonzept. Was nun aus Unionskreisen auf den Tisch kommt, hat der CDU/CSU-dominierte Bundesrat bereits abgelehnt, als die Sozialdemokraten entsprechende Vorschläge gemacht hatten. Warum sollte z.B. die Abschaffung der Pendlerpauschale oder der Eigenheimzulage oder eine Mehrwertsteuererhöhung jetzt besser sein, nur weil die Initiative plötzlich von der CDU ausgeht?

Nur die allerdümmsten Kälber ...

Bleibt eine dritte Variante, nämlich die große Koalition aus SPD und CDU/CSU. Und hier deutet sich tatsächlich zumindest beim Thema Mehrwertsteuererhöhung eine Allianz der großen Parteien zur Anhebung der Mehrwertsteuer von derzeit 16 Prozent auf 20 Prozent an. Nach Berechnung von Steuerexperten belastet dabei jeder Prozentpunkt einer Mehrwertsteuererhöhung die Verbraucher in Deutschland mit 8 Mrd. Euro pro Jahr. Eine Anhebung der Umsatzsteuer um 4 Prozentpunkte brächte daher bei unverändertem Konsumverhalten der Bundesbürger jährlich 32 Mrd. Euro zusätzlich in die Staatskassen.

Dagegen erscheinen die von der CDU geplanten Entlastungen bei den Einkommensteuertarifen eher wie eine Lachnummer, sollen die Deutschen doch nach den Plänen von Merkel und Stoiber hier lediglich um 10,6 Mrd. Euro entlastet werden. Hier passt der Ausspruch von Professor Kohlmann (Strafrechtler an der Uni Köln) wie die Faust aufs Auge: "Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber!" Aber noch ist ja noch nicht einmal klar, ob und wann es die vorgezogene Bundestagswahl tatsächlich geben wird.

>> Diesen Kommentar weiterempfehlen <<



urbs-media GbR
http://www.urbs.de