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Führt eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich zu mehr Beschäftigung in Deutschland?


urbs-media, 2.8.2004: Wenn man die Politiker und die Wirtschaftsführer in Deutschland so reden hört, dann sollten wir alle "früher aufstehen, mehr arbeiten und später schlafen gehen". Dabei ist dieser Ratschlag vom Grundsatz her bereits über 100 Jahre alt. Er galt Kaiser Franz-Josef von Österreich (1848-1916) und stammt von dem Grafen Thurn und Taxis. Damals ging es im übrigen nicht um die Steigerung der Arbeitsmoral der Bevölkerung, sondern schlichtweg um die Verbesserung der Regierungsarbeit.

Die Arbeitszeitdiskussion in Deutschland ist nur ein Ablenkungsmanöver

Die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland haben ihre Ursache nicht in einer kollektiven Faulheit und in zu kurzen Arbeitszeiten. Betrachtet man die letzte Statistik der EU-Kommission, dann liegt Deutschland mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 39,9 Stunden im europäischen Mittelfeld. In Westeuropa wird hiernach nur in Österreich (40,0 Stunden) und in Großbritannien (43,3 Stunden) länger gearbeitet als in Deutschland. Kürzere Wochenarbeitszeiten als in Deutschland gibt es nach der EU-Statistik dagegen in Luxemburg, Irland und Litauen (39,5 Stunden), Belgien (39,3 Stunden), Finnland (39,2 Stunden), Dänemark (39,1 Stunden), Holland (38,9 Stunden) und in Frankreich (37,7 Stunden).

Mehr als in Deutschland wird in Wochenstunden gemessen in Süd- und Osteuropa gearbeitet, nämlich 43,6 Stunden in Lettland, 41,8 Stunden in der Slowakei, 41,6 Stunden in Polen und Slowenien, 41,2 Stunden in Tschechien, 41,1 Stunden in Estland, 41,0 Stunden in Griechenland, 40,9 Stunden in Ungarn, 40,4 Stunden in Spanien und Malta sowie 40,3 Stunden in Portugal.

Nach einer in der Westdeutschen Zeitung vom 21.7.2004 zitierten aktuellen Umfrage des Kölner Iso-Instituts arbeiten die Arbeitnehmer in Deutschland sogar noch länger als von der EU ermittelt, nämlich durchschnittlich 42 Stunden pro Woche (41,9 Stunden in Deutschland-West und 43,0 Stunden in Deutschland-Ost).

Längere Arbeitszeiten führen zu mehr Arbeitslosen

Experten haben längst nachgewiesen, dass längere Arbeitszeiten und ein kürzerer Urlaub oder der Wegfall von Feiertagen nicht zu mehr Beschäftigung führen. Ganz im Gegenteil: "Für den heutigen Arbeitsmarkt wird eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit sogar eher zu einer Belastung" erläutert Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (AIB) in Nürnberg.

Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn die Beschäftigten in einem Unternehmen länger arbeiten, dann wird mit der gleichen Belegschaft mehr produziert. Je nach der wirtschaftlichen Lage gibt es dann zwei Möglichkeiten: Entweder besteht am Markt eine Nachfrage für diese zusätzlichen Produkte und Dienstleistungen oder ein Teil der Belegschaft wird überflüssig, weil die am Markt absetzbare Produktion jetzt mit weniger Mitarbeitern erfolgen kann.

Da es in Deutschland gegenwärtig keine Mangelwirtschaft gibt, führt die Verlängerung der Arbeitszeit, sei es nun in Form zusätzlicher Wochenstunden, weniger Feiertagen oder kürzerer Urlaubszeiten, zwangsläufig zu einer Zunahme der Arbeitslosen. Ein Wirtschafts-Professor hat die Arbeitszeitdiskussion in Deutschland spöttisch wie folgt kommentiert: "Das ist das Gleiche, als wolle man eine Kartoffelschwemme damit bekämpfen, indem man noch mehr Kartoffeln anbaut."

Jeder ist sich selbst der Nächste

Eine Volkswirtschaft ist mehr als nur die Summe aller Unternehmen in einem Land. Wer also immer nur nach Arbeitszeitverlängerungen und Lohnkürzungen ruft, der hat schlichtweg nichts begriffen. Denn die in einem Unternehmen beschäftigten Personen stellen nicht nur den so genannten "Faktor Arbeit" dar, sondern sie sind zugleich auch Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen. Diese Erkenntnis mag bei einem Vorstand möglicherweise leicht in Vergessenheit geraten, der sich als Hersteller von Fahrzeugen der Luxusklasse versteht, sie ist gesamtwirtschaftlich betrachtet jedoch eine Selbstverständlichkeit.

Die weit verbreiteten Kostensenkungsprogramme der Unternehmen zur kurzfristigen Verbesserung der Gewinnsituation haben bezogen auf die nationalen Volkswirtschaften sogar genau den gegenteiligen Effekt. So stellt der ehemalige Chefvolkswirt der Dresdner-Bank Dr. Kurt Riechebächer unmissverständlich fest: "Kommerzielle Ausgaben sind die Hauptquelle kommerzieller Einnahmen und eine Kürzung der kommerziellen Ausgaben kürzt daher die kommerziellen Einnahmen. Höhere Gewinne und höherer Reichtum können nicht einfach aus allgemeinen Kostensenkungen entstehen." Mit anderen Worten: Die Kostensenkungen des einen sind die Gewinnsenkungen des anderen.

Globalisierung schadet uns allen

Wenn jetzt zahlreiche deutsche Unternehmen nach der EU-Erweiterung mit einer Abwanderung nach Osteuropa drohen, so ist diese Entwicklung höchst alarmierend. Dies gilt insbesondere für die Verknüpfung der Forderung nach Arbeitszeitverlängerungen mit der Ankündigung von Produktionsverlagerungen ins Ausland. Womit sollen die Konsumenten in Deutschland nach Meinung der Herren von Siemens, Daimler-Chrysler und wie sie noch heißen mögen denn die im Ausland hergestellten "Deutschen Produkte" kaufen, wenn sie nach der Neuregelung von Hartz IV nach einem Jahr Arbeitslosigkeit von Sozialhilfe (dem so genannten Arbeitslosengeld II) leben?

Die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer ist im übrigen auch eine wesentliche Ursache für die Qualitätsmängel bei Produkten "Made in Germany", die z.B. gegenüber Kraftfahrzeugen aus Japan eindeutig mehr Mängel aufweisen, wie ein Blick in die Pannenstatistik der Automobilclubs zeigt. Selbst ein vermeintliches Billigfabrikat aus Korea konnte im Test noch besser abschneiden als eine vergleichbare deutsche Luxuskarosse mit dem Stern auf der Kühlerhaube. Wer immer nur nach den billigsten Zubehörteilen sucht und Teile der Fertigung in Billiglohnländer verlagert, der darf sich über ein derart vernichtendes Ergebnis nun wirklich nicht wundern.

Gutes Geld für gute Arbeit

Beim Thema Einkommen unserer Wirtschaftsführer und Manager stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Bezahlung für diese Arbeitnehmer - und um nichts anderes als Arbeitnehmer handelt es sich z.B. auch bei den Herren Esser, Schrempp und Ackermann - gemessen an ihren Leistungen nicht völlig überzogen ist. Um nur einige Beispiele aus der deutschen Automobil-Industrie zu nennen: Das Rover-Abendteuer kostete BMW mehrere Milliarden Euro, der Daimler-Konzern hat mit seiner Expansion nach Japan und in die USA gleich zweifach Milliardenbeträge versenkt und VW kann vermutlich die Entwicklungskosten für den Einstieg in die 12-Zylinder-Luxusklasse als Fehlinvestition abschreiben. Um mit der in Deutschland üblichen Sprache für Arbeitszeugnisse zu reden: "Die Herren haben sich bemüht". Das heißt im Klartext soviel wie "Sie waren ihren Aufgaben nicht gewachsen und sind gescheitert".

Und wer hat diese Fehlinvestitionen letztendlich finanziert? Die Arbeitnehmer in den deutschen Stammwerken, die den Vorständen durch die von ihnen erarbeiteten Milliardengewinne ihre Expansionspläne erst ermöglicht haben. Es fehlt also in Deutschland also nicht in erster Linie an der Flexibilität der Arbeitnehmer, sondern wie diese Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe zeigen, häufig am Durchblick der Manager. Wie lautet doch die Werbung der Telekom für die Gelben Seiten: "Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt".

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