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Georg Orwell's Vision vom totalen Überwachungsstaat ist schon längst Realität


urbs-media, 3.5.2004: Im Jahre 1949 veröffentlichte der englische Schriftsteller George Orwell seinen Roman 1984. Was damals vom Autor als Mahnung vor einem totalitären Regime stalinistischer Prägung gedacht war, ist in weiten Teilen schon Wirklichkeit geworden. Was Orwell nicht voraussehen konnte: Während sich die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas langsam in Richtung auf eine Demokratie entwickeln, geht der "demokratische Westen" genau den umgekehrten Weg.

Alles unter Kontrolle

Alle Bürger sind potentielle Verbrecher und müssen vom Staat auch so behandelt werden. Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man die Bestrebungen vieler Politiker betrachtet, die verfassungsrechtlich garantierten Grundfreiheiten zugunsten einer immer weiter ausufernden staatlichen Überwachung einzuschränken. Als Deckmantel hierzu dient im Regelfall die Gefahr von islamistischen Terroranschlägen. In Ihrem aktuellen Kommentar "Scharf, schärfer, Schily" schreibt die Westdeutsche Zeitung vom 30.4.2004 in diesem Zusammenhang: "Er (Otto Schily) will die Grenzen zwischen juristischen, polizeilichen und militärischen Mitteln verwischen. Die Unschuldsvermutung - Kern eines jeden Rechtsstaates - soll auf den Kopf gestellt werden: im Zweifel gegen den Angeklagten."

Jetzt erleben wir in der Praxis die negativen Folgen des Wegfalls der Grenzkontrollen in Europa. Weil es keine Kontrollpunkte mehr an den Außengrenzen gibt, sollen die Überwachungsmaßnahmen jetzt einfach flächendeckend in der gesamten Bundesrepublik durchgeführt werden und praktisch jeden erfassen, der seine Wohnung verläßt. Dabei sind bereits jetzt die Bewegungsprofile vieler Bürger kein Geheimnis mehr: Ein eingeschaltetes Handy zeigt auf wenige hundert Meter genau den jeweiligen Standort des Besitzers und auch wer ein Navigationsgerät in seinem Fahrzeug benutzt, ist jederzeit genau lokalisierbar.

Der Lauscher an der Wand

Da Bewegungsprofile allein für die selbst definierten Sicherheitsinteressen des Staates nicht ausreichen, nehmen gleichzeitig die Abhöraktionen dramatisch zu. So ist die Zahl der angeordneten Telefonüberwachungen in Deutschland von 7.776 im Jahre 1997 auf 21.874 im Jahr 2002 gestiegen. Insgesamt wurden im Jahr 2002 mehr als 1,5 Mio. Gespräche abgehört. Diese Aktionen spielen sich dabei weitgehend im rechtsfreien Raum ab, denn die Ermittlungsbehörden kommen ihrer gesetzlich normierten Pflicht zur Information der Betroffenen nach Abschluss der Maßnahme in über 70 Prozent der Fälle nicht nach (Handelsblatt vom 12.8.2003). Dies ist ein Skandal, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der angezapften Telefone (60 Prozent) Personen gehört, die keiner Straftat beschuldigt wurden.

Das Informationsbewusstsein in Amerika ist total

In den USA arbeite die sogenannte Heimatschutzbehörde derzeit an einer umfassenden Datensammlung über alle Einwohner. Hier sollen in einer gigantischen Datenbank alle verfügbaren Informationen über das öffentliche und private Leben der Bürger gespeichert und nach verdächtigen Aktivitäten durchforstet werden. Dabei interessiert die staatlichen Schnüffler praktisch alles, vom Internet-Verkehr über das finanzielle Verhalten und die Reisen bis zu den persönlichen Lesegewohnheiten. Dieses ursprünglich unter dem Namen "Total Information Awareness" (Totales Informationsbewusstsein) geplante Vorhaben wurde zwar vorläufig wegen der Proteste von US-Bürgerrechtlern gestoppt, die Grundidee wird jedoch von der Busch-Regierung unter anderem Namen weiter verfolgt und bereits in die Tat umgesetzt.

Der nächste Schritt: Die Gedankenpolizei

In George Orwell's Roman 1984 spielt die Gedankenpolizei im Leben der Bürger eine zentrale Rolle. Nichts entgeht den allgegenwärtigen elektronischen Augen des großen Bruders und selbst ein geringschätziger Gesichtsausdruck kann die so genannten Gedankenverbrecher entlarven. Auch in der Realität sind die Gedanken längst nicht mehr frei. Ein drastisches Beispiel hierfür ist z.B. die Regelung im Patriots-Act, wonach selbst Buchhandlungen und Leihbüchereien den amerikanischen Sicherheitsbehörden Auskunft über das Leseverhalten der Bürger geben müssen.

Dass die Gedankenfreiheit derzeit von unseren Politikern unmittelbar bedroht wird, zeigte sich einer breiten Öffentlichkeit erstmals in einer Fernsehdiskussion unmittelbar im Anschluss an den 11. September, als der Innenminister Otto Schily die Erläuterungen des Journalisten Scholl-Latour zu den Ursachen des islamischen Fundamentalismus barsch mit der Bemerkung unterbrach: "So etwas darf man noch nicht einmal denken!" Mit derartigen Denkverboten befindet sich unser Innenminister im übrigen in der Tradition des Absolutismus, denn schon der französische Abbé Morelly forderte in seinem Plädoyer für den "Allmächtigen Staat" ein Denkverbot für die Bürger, "um die üblen Neigungen des menschlichen Geistes zu korrigieren" (Essai sur l'esprit humain von 1743).

Selbst der europäische Verfassungskonvent sieht die Gedankenfreiheit inzwischen als bedroht an. So heißt es in Art. 10 des Entwurfs der Charta der Grundrechte der Union: "Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit".

Sand im Getriebe des Überwachungsstaats

Überwachung und Bespitzelung der Bürger binden enorme technische und menschliche Kapazitäten. Die Ausgaben hierfür werden daher schon bald im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Dass die Regierenden mit einer ausgefeilten Überwachung der Bevölkerung ihren Herrschaftsanspruch nicht auf Dauer sichern können, musste aber auch die DDR-Führung erkennen. Denn trotz der Stasi-Unterdrückung und trotz weitreichende Informationen über die sogenannten "Republikfeinde" konnte das damalige Regime sein Ende nicht verhindern.

Insoweit können wir aus den Erfahrungen der "gelernten DDR-Bürger" nur lernen, denen es gelang, trotz aller Repressionen der Obrigkeit eine Widerstandskultur zu entwickeln. Zwar haben sich durch den technischen Fortschritt die Überwachungsmethoden im Vergleich zur alten Stasi dramatisch verfeinert und statt der früher erforderlichen persönlichen Bespitzelung durch inoffizelle Mitarbeiter der Staatssicherheit ist dieser Vorgang jetzt weitgehend automatisiert. In den erschnüffelten Mengen an personenbezogenen Daten liegt aber gleichzeitig die Archillesferse des modernen Überwachungsstaates: Je mehr Informationen die Bürger produzieren, je eher wird das System an seinem gesammelten Datenmüll ersticken. Daher gilt Heute genau wie vor über 50 Jahren die Devise: "Nieder mit dem großen Bruder!"

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