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Wie sich die deutschen Politiker ihre eigene Wirklichkeit schaffen


urbs-media, 2.2.2004: Die Politiker in Deutschland scheinen derzeit an einem schweren Immage-Problem zu leiden, denn die Qualität ihrer "Arbeit" will sich vielen Bundesbürgern nicht so recht erschließen. Da bleibt der Bundesregierung nur noch die Flucht in eine aktive Werbung für ihre Politik. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Politische PR ist keine Erfindung der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder. Auch die vorherige Regierung von Altkanzler Kohl versuchte durch Broschüren, Plakate und Zeitungsanzeigen die Wähler von der Richtigkeit ihrer Politik zu überzeugen - allerdings mit mäßigem Erfolg, wie der Wahlsieg des Herausforderers Schröder im Jahre 1998 gegen Kohl zeigte.

Mit Öffentlichkeitsarbeit gegen schlechte Politik

Je schlechter eine bestimmte Regierung vom Wähler eingestuft wird, je mehr Geld wird für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. Mit anderen Worten: Der PR-Aufwand der Regierenden ist umgekehrt proportional zur Qualität der Regierungspolitik. Da verwundert es auch nicht, wenn entsprechend den Umfragetiefs von Rot-Grün die Werbeetats der Ministerien auf ungeahnte Höhen steigen. So will die Bundesregierung im Jahr 2004 insgesamt 97,7 Mio. Euro für die "Volksaufklärung" ausgegeben, im Vergleich zum Jahr 2003 bedeutet dies eine Steigerung um 10,9 Prozent. Und dabei hatte sich die Bundesregierung bereits im Jahr 2003 einen kräftigen Schluck aus der Werbe-Pulle gegönnt, denn im Vergleich zum Jahr 2002 sind die Ausgaben im Jahr 2003 um knapp 15 Prozent gestiegen.

Der Bundesfinanzminister desinformiert

Mehr netto durch die Steuerreform; dies behauptet der Bundesfinanzminister in einer Broschüre, die zum Jahreswechsel 2003/2004 großflächig in Deutschland verteilt wurde. Dort kann man dann ablesen, welchen Vorteil die Steuerreform bringt, z.B. 432 Euro pro Jahr bei einer Familie mit zwei Kindern und einem jährlichen Bruttoeinkommen von 30.000 Euro. Wer dann aber die Tabelle für die Alleinerziehenden sucht, findet auf der zweiten Seite zwar einen breit grinsenden Finanzminister, aber keine Angaben zur Steuerentlastung von Alleinerziehenden. Und das mit gutem Grund: Denn alleinerziehende Steuerpflichtige werden durch die Steuerreform kaum entlastet oder zahlen seit 1.1.2004 sogar mehr Steuern als zuvor. So liegt z.B. die Steuerentlastung bei Alleinerziehenden mit einem Kind und einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro gerade einmal bei 42 Euro pro Jahr. Und Alleinerziehende mit einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro zahlen jetzt sogar 15 Euro mehr Einkommensteuer als vorher. Dass es von Herrn Eichel in seiner von den Steuerzahlern finanzierten Werbe-Broschüre keinerlei Informationen zu den zusätzlichen Belastungen (z.B. reduzierte Pendlerpauschale, gekürzter Sparer-Freibetrag, niedriger Arbeitnehmer-Freibetrag usw.) gibt, verwundert dann eigentlich nicht mehr.

Das Werbegeld bleibt in der Familie

Besonders auffällig bei den aktuellen Werbeverträgen ist, dass immer häufiger solche Agenturen mit Regierungsaufträgen bedacht werden, die sich z.B. mittelbar im Besitz des SPD-Zeitungsimperiums befinden oder deren Inhaber mit führenden Regierungspolitiker eng befreundet sind (Westdeutsche Zeitung vom 5.12.2003). Damit werden Steuergelder zumindest indirekt für Wahlwerbung eingesetzt, was eigentlich verboten ist. Ob legal oder illegal, die Werbung für die Politik der Bundesregierung ist auf jeden Fall geeignet, das Bild der Öffentlichkeit von der Wirklichkeit massiv zu beeinflussen und Kritiker der Regierungspolitik als unglaubwürdig erscheinen zu lassen.

Selbstzensur durch wirtschaftlichen Druck

Neben der eigenhändigen und unmittelbaren Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die jeweilige Regierung gibt es dann auch noch feinfühligere Methoden, um die Berichterstattung zu lenken. Denn welcher Zeitungsverleger kann es sich während einer Anzeigenkampagne der Bundesregierung schon leisten, dass seine Redakteure kritisch über die gerade von der Regierung beworbenen Themen berichten? Die Folge dieser staatlichen Anzeigenkampagnen ist dann häufig auch eine angepasste Berichterstattung. "Selbstzensur aus wirtschaftlichen Gründen" oder "Zensur durch Anzeigen" könnte man dieses Phänomen auch nennen. Daneben macht auch das böse Wort vom "Informationsboykott" die Runde; d.h. kritische Journalisten werden von den Politikern nicht mehr informiert.

Autorisierung als neue Form der Vorzensur

Zuweilen greifen Politiker aber auch zu etwas härteren Methoden, wenn es darum geht, unerwünschte Berichterstattung zu unterbinden. Und da es eine "Zensur" in Deutschland laut Grundgesetz nicht geben darf, nennt man das Verfahren dann vornehm "Autorisierung". Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Interview des SPD-Generalsekräters Scholz in der Zeitung TAZ anlässlich des jüngsten SPD-Parteitags. Weil Herr Scholz seine Antworten auf die Fragen der Redaktion plötzlich nicht mehr gelten lassen wollte, verlangte er eine Überarbeitung des Textes. Dieses Verfahren ist vermutlich kein Einzelfall, sonst hätte der SPD-General ein derartiges Ansinnen niemals zu äußern gewagt. Ein Einzelfall - und zwar ein äußerst mutiger - war jedoch die Reaktion der TAZ auf diesen Akt der Vorzensur: Die Berliner Tageszeitung druckte das Interview am 28.11.2003 zwar im Wortlaut ab, schwärzte jedoch die von von der SPD-Zentrale beanstandeten Stellen.

Kostenlose Selbstdarstellung in Talk-Shows

Auch außerhalb der Zeitungs-Redaktionen können die Deutschen zuweilen Zeuge von politischen Monologen werden. Dies gilt insbesondere für die Sendungen Berlin-Mitte und die Talk Show von Sabine Christiansen. Hier stellt es schon einen seltenen Ausnahmefall dar, wenn ein Politiker auf eine konkrete Frage zur Sache antwortet, statt die immer gleichen Statements abzugeben. Ein weiteres Problem sind die immer gleichen Teilnehmer derartiger "Gesprächsrunden". Durch die Einladungslisten wird jedoch sicher gestellt, dass alternative Denkansätze in der deutschen Politik weitgehend tot geschwiegen werden und die im Bundestag vertretenen Fraktionen unter sich bleiben.

Dass es auch ohne diese weit verbreitete Form der Hofberichterstattung und ohne Kuscheljournalismus, geht, zeigt die Sendung "Hart aber fair" im Dritten Programm des Westdeutschen Rundfunks. Das Erfolgsrezept dieser Sendung ist vermutlich insbesondere die Einbeziehung der Zuschauer, die sich telefonisch oder per E-Mail zu den behandelten Themen äußern können.

Unwissenheit ist Stärke

Unwissenheit ist Stärke! Dies ist neben "Krieg bedeutet Frieden" und "Freiheit ist Sklaverei" einer der drei Wahlsprüche der Einheitspartei "Engsoz" in George Orwell's Roman 1984. Diese Aussage gilt im übrigen auch für das Jahr 2004. Denn wenn die Bevölkerung über die wahren Zusammenhänge und Ursachen des aktuellen politischen Geschehens nicht ausreichend informiert ist, dann sind die Regierenden stark und die Bürger machtlos. Kein Wunder also, dass der aufgeklärte und mündige Bürger das Letzte ist, was die Machtpoltiker (nicht nur in Berlin) gebrauchen können. Daher hat sich die Demokratie in Deutschland für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung inzwischen darauf reduziert, alle vier Jahre unter den etablierten Parteien das kleinere Übel wählen zu können. Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen die Partei der Nichtwähler in Deutschland zumindest bei den Landtagswahlen zahlenmäßig vielfach bereits die meisten Anhänger hat.

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