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Wie ein Grabstein die deutschen Gerichte durch drei Instanzen beschäftigte


urbs-media, 6.12.2004: Ein wesentlicher Teil der christlichen Lehre ist die Verheißung, dass nach dem Tod das Paradies auf die Verstorbenen wartet. Diese Aussicht vereint im übrigen praktisch alle großen Religionsgemeinschaften und auch die Anhänger von Naturreligionen glauben an ein besseres Leben nach dem Tod.

Nach dem Tod kommt die Hölle

Dass es nach dem Tod aber auch eine Hölle gibt, zeigt das Vorgehen der Kirchgemeinde Bielefeld-Brackwede. Dort hatte die Tochter ihren verstorbenen Vater auf dem evangelischen Friedhof beisetzen lassen. Im Februar 2000 ließ sie auf dem Grab dann ein Stein aus polierten grünen Granit aufstellen. Was die Tochter offensichtlich nicht wusste und ihr auch der Steinmetz vermutlich nicht gesagt hatte: Laut § 5 der Grabmal- und Bepflanzungsordnung war für Grabsteine das Polieren und Schleifen ausdrücklich verboten. "Glanz und Spiegelwirkung dürfen nicht erzielt werden", so heißt es wörtlich in der Friedhofssatzung.

Zur Begründung für das "Polierverbot" hat die Kirchengemeinde als Trägerin des Friedhofs behauptet, durch diese Regelung werde "falsches Pathos" vermieden. Dem stillen Gedenken solle Rechnung getragen werden, indem grellen Wirkungen entgegengewirkt werde, wie sie von schneeweißem Marmor, von Politur und Glanz oder von überschwänglicher Goldschrift ausgehe.

Nach dem Tod kommen die Richter

Gestützt auf § 5 der Grabmal- und Bepflanzungsordnung verlangte die Kirchengemeinde die sofortige Entfernung des polierten Grabsteins. Außerdem wurde den Angehörigen angedroht, das Grabmal ansonsten auf deren Kosten im Wege der Ersatzvornahme abzureißen. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Minden in erster Instanz als unbegründet abgewiesen.

Ganz anders urteilte dagegen das Oberverwaltungsgericht Münster in der Berufungsinstanz (Urteil vom 28.1.2003 - 19 A 4302/01): Es seien keinerlei religiöse Gründe ersichtlich, die ein Verbot von polierten Grabsteinen rechtfertigen. Diese Entscheidung lag im übrigen völlig auf der Linie des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg, der bereits im Jahre 1996 entschieden hatte, dass konfessionelle Friedhöfe nicht das Recht haben, Vorschriften über die optische Gestaltung von Grabmalen zu erlassen. Mit anderen Worten: Die Angehörigen, denen die Ehrung des Toten obliegt, sind grundsätzlich frei, die Grabstätte nach ihren eigenen Anschauungen von Pietät, Ästhetik und Zweckmäßigkeit zu gestalten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.1996 - 1 S 3164/95).

Falsches Ergebnis mit falscher Begründung

Bereits im ersten Semester Jura hören die Studenten im Regelfall folgenden Spruch: "Das erstinstanzliche Gericht entscheidet inhaltlich richtig mit falscher Begründung, in der Berufungsinstanz wird mit der richtigen Begründung falsch entschieden und in der Revision sind sowohl die Begründung als auch das Ergebnis falsch". An diese Weisheit aus ihrer Ausbildungszeit scheinen sich auch die Richter beim Bundesverwaltungsgericht erinnert zu haben, denn die obersten Verwaltungsrichter haben die Hinterbliebenen vor die Alternative gestellt, entweder den polierten Grabstein wieder zu entfernen oder den Verstorbenen auf einen anderen Friedhof umzubetten (BVerwG, Urteil vom 13.5.2004 - 3 C 26/03).

Christliche Betonköpfe schaufeln ihr eigenes Grab

Die christlichen Kirchen predigen gerne Toleranz und Nächstenliebe. Fundamentalismus und doktrinäres Denken werden dabei im Regelfall als typische Eigenschaften des Islams bezeichnet. Was die Bielefelder Christengemeinde hier mit Billigung des Bundesverwaltungsgerichts veranstaltet hat, zeugt aber von tiefster Menschenverachtung. Wer die christliche Lehre auf Friedhofssatzungen reduziert, das Verbot von polierten Grabsteinen zum unantastbaren Glaubensdogma erhebt und Gemeindemitglieder über den Tod hinaus schikaniert, der braucht sich über Kirchenaustritte und zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der christlichen Religion wahrlich nicht zu wundern.

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