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Neuregelung der Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche gegen Anlageberater wegen Falschberatung


urbs-media, 17.8.2009: Ansprüche auf Schadensersatz gegen Anlageberater wegen falscher oder unvollständiger Angaben im Beratungsgespräch unterlagen nach dem so genannten Wertpapier-Handelsgesetz (§ 37a WPHG) bisher generell einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Im Gegensatz zur normalen schuldrechtlichen Verjährung begann die Verjährung aber nicht mit der Kenntnis des Anlegers von der Falschberatung bzw. vom Schadenseintritt, sondern mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dies führte in der Praxis oft dazu, dass mögliche Schadensersatzansprüche aus Falschberatung schon verjährt waren, bevor der Anleger überhaupt Kenntnis vom Schaden hatte.

Beispiel: Ein Anleger hat sich am 20.9.2004 bei seinem Kreditinstitut über sichere Anlagemöglichkeiten für eine fällige Lebensversicherung erkundigt. Der Anlageberater empfahl Zertifikate der Lehman-Bank. Am gleichen Tag wurden die Lehman-Papiere erworben.

Mit dem Konkurs der Lehman-Bank am 15.9.2008 wurden die Zertifikate wertlos. Die Verjährung möglicher Schadensersatzansprüche gegen seine Hausbank waren zu diesem Zeitpunkt nach § 37a WpHG bereits verjährt. Denn die Verjährungsfrist von drei Jahren begann zum Ende des Jahres 2004 und endete am 31.12.2007. Als die Mitteilung vom Konkurs der Lehman-Bank durch die Presse ging und der finanzielle Verlust damit für jedermann ersichtlich wurde, war der Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen seine Hausbank daher bereits verjährt.

Durch das "Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung" vom 31.7.2009 (BGBl 2009 I S. 2512) wurde die Sondervorschrift des § 37a WpHG zur Verjährung im Zusammenhang mit Kapitalanlagen abgeschafft. Seit 5.8.2009 gelten in derartigen Fällen jetzt die allgemeinen Verjährungsvorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 194 ff BGB).

Maßgeblich für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ist damit der Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann beginnt die Verjährung mit dem Schluss des entsprechenden Jahres (§ 199 Abs. 1 BGB).

Die Neuregelung führt also dazu, dass Schadensersatzansprüche von geprellten Kapitalanlegern nicht mehr wie im vorstehenden Beispiel verjähren können, bevor sich der Schaden überhaupt manifestiert hat. Dies gilt zumindest für den Regelfall, denn in derartigen Fällen gilt wie allgemein im Zivilrecht eine Höchstfrist für die Verjährung von 10 Jahren seit dem Vertragsabschluss (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Wenn der Anleger vom Schadensfall daher erst über 10 Jahren nach der Anlageentscheidung Kenntnis erhält, sind mögliche Ansprüche aus Falschberatung generell verjährt. Außerdem gelten die alten kürzeren Verjährungsvorschriften des § 37a WpHG weiterhin in allen Fällen, in denen der Anspruch auf Schadensersatz vor dem 5.8.2009 entstanden ist.

urbs-media Praxistipp: In der Presse liest man zuweilen, die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen Anlageberater wegen Falschberatung sei jetzt generell von drei auf zehn Jahre verlängert worden. Diese Aussage ist so nicht richtig! Vorstehend haben wir gezeigt, dass es nach der Neuregelung für den Verjährungsbeginn nicht mehr auf den Zeitpunkt der falschen Anlageberatung, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Anlegers vom Schaden bzw. auf den Zeitpunkt ankommt, an dem der Geschädigte die entsprechende Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen konnte. Am Grundsatz der dreijährigen Verjährungsfrist hat sich hingegen nichts geändert.

Damit hat sich die Rechtslage zu Gunsten der Anleger zwar verbessert, weil die Verjährung nach der Neuregelung im Regelfall im Vergleich zur alten Regelung erst später eintritt. Allerdings herrscht insbesondere für den Fall der "grob fahrlässigen Unkenntnis" eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Denn bisher ist völlig unklar, welche Anstrengungen ein Kapitalanleger unternehmen muss, um in den Besitz der entsprechenden Informationen zu gelangen.

Bezogen auf den Fall Lehman kommen nämlich durchaus unterschiedliche Zeitpunkte in Frage, zu dem ein Anleger von den finanziellen Problemen der US-Bank Kenntnis erlangen konnte: War dies erst die Mitteilung in der deutschen Presse am 15.8.2008 vom Lehman-Konkurs oder hätte man nicht möglicherweise schon viele Monate früher hellhörig werden müssen, als in den einschlägigen Börsendiensten ernsthafte Zweifel an der finanziellen Stabilität von Lehman-Brothers geäußert wurden?

In der Praxis führt die Bezugnahme auf die grob fahrlässige Unkenntnis vom Schadenseintritt dazu, dass die Verjährung bei gleicher Ausgangslage für mehrere Personen durchaus zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen kann: Ein Anlageprofi hätte nämlich deutlich früher als so genannte Normalanleger von den Problemen bei Lehman Kenntnis haben müssen, was dann zwangsläufig auch zu einem früheren Verjährungsbeginn führt. Statt klarer Regeln für den Verjährungsbeginn kommt es jetzt auf den Einzelfall und die entsprechende Bewertung durch die Gerichte an. Ob dies dann tatsächlich eine Verbesserung zu Gunsten der Anleger ist, wird sich erst nach einigen Jahren zeigen, wenn der Bundesgerichtshof klar definiert hat, welche Überwachungspflichten hinsichtlich ihres Depots von Kapitalanlegern verlangt werden können, um dem Vorwurf der "grob fahrlässigen Unkenntnis" zu entgehen.

Schließlich kommen auch nur diejenigen Kapitalanleger in den Genuss der Neuregelung, bei denen der Anspruch auf Schadensersatz ab dem Stichtag 5.9.2009 entstanden ist. Bei den vielen Altfällen bleibt es folglich bei der starren Fristenregelung des § 37a WpHG, wonach die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anleger die falsche Anlageberatung stattgefunden hat.



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