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Statistische Schönfärberei bei den amerikanischen Konjunktur- und Wirtschaftsdaten


urbs-media, 15.4.2002: Die Europäer blicken seit Jahren mit Bewunderung auf das amerikanische Wirtschaftswunder. Dort weist die offizielle Statistik seit etwa zehn Jahren ständig hohe Steigerungsraten beim Wirtschaftswachstum bei einer niedrigen Inflationsrate aus. Sogar in Zeiten der Rezession steht die US-Volkswirtschaft zumindest auf dem Papier der Statistiker immer noch vergleichsweise gut da bzw. befindet sich jetzt bereits wieder in einer Aufschwungphase. Deshalb wird die Wirtschaftsentwicklung in den USA auch gerne von europäischen Politikern als Vorbild dargestellt. Bevor wir uns aber die Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten kritiklos zum Leitbild machen, sollten wir uns zuerst einmal anhand der tatsächlichen Fakten darüber informieren, welche Faktoren diesen Erfolg möglich gemacht haben.

Bei näherer Betrachtung fällt dann schnell auf, dass die Statistiker in Amerika einen wesentlichen Anteil an den guten Wirtschaftsdaten haben. Da wird nicht einfach wie in Europa nach streng mathematischen Regeln vorgegangen, sondern der sogenannte hedonische Ansatz gewählt. Hiermit wird erreicht, dass auch angebliche oder reale Qualitätsverbesserungen in die Berechnung der Inflationsrate und des Wirtschaftswachstums einfließen. Qualitätssteigerungen werden nach der "hedonischen Methode" in der Statistik automatisch als Preissenkungen gewertet.

Beispiel: Die Prozessor-Geschwindigkeit von Computern hat im Jahr 2001 durch verbesserte Techniken von 1.000 MHZ auf 1.300 MHZ zugenommen. Im Jahresdurchschnitt sind die PC-Preise jedoch konstant geblieben. Hier rechnen die Statistiker im Auftrag der US-Regierung wie folgt :

Die Erhöhung der Taktfrequenz von 1.000 MHZ auf 1.300 MHZ bei den Prozessoren stellt eine Qualitätsverbesserung um 30 Prozent dar. Damit fallen die Preise für Computer unter Berücksichtigung der Qualitätsverbesserung im Verlauf des Jahres 2001 in der US- Verbraucherpreis-Statistik um 30 Prozent. Um dem Ganzen dann noch die Krone aufzusetzen, wird dieser Vorgang bei den Produktivitätszahlen einfach umgekehrt. Wenn die PC's im Jahresverlauf bei gleichen Preisen um 30 Prozent schneller geworden sind, dann kann bei der Ermittlung des Wertes aller verkauften Computeranlagen natürlich nicht von den realen Preisen ausgegangen werden, sondern dieser Wert ist entsprechend der Qualitätsverbesserung um 30 Prozent nach oben zu berichtigen.

Obwohl es also im Jahresverlauf keine statistisch relevanten Veränderungen gab, nennt die US-Verbraucherpreisstatistik in unserem Beispiel für Computer einen Preisrückgang von 30 Prozent und die Produktivitätszahlen weisen für die Herstellung von Computern insgesamt einen Wert aus, der 30 Prozent über den realen Zahlen liegt.

Seit einigen Jahren werden außerdem Software-Ausgaben der Industrie bei der Berechnung des US-Brutto-Sozialprodukts nicht mehr wie in anderen Industrienationen üblich als Kosten, sondern als Investitionsausgaben gebucht. Damit erhöht sich das von den Statistikern errechnete Sozialprodukt dann auf dem Papier noch einmal um ca. 70 Mrd. Dollar pro Jahr. Allein dieser Betrag entspricht in etwa 1 Prozent des gesamten amerikanischen Brutoinlandsprodukts.

Die Berechnungsmethode für die Wirtschaftsdaten in Amerika hat die Deutsche Bundesbank bereits in ihrem Monatsbericht vom August 2000 (Seite 8) sehr kritisch gewürdigt und festgestellt, das in den US-Konjunkturzahlen ein erheblicher Anteil von fiktivem Wirtschaftswachstum enthalten ist. Experten gehen davon aus, dass etwa ein Drittel des von der amtlichen Statistik belegten Wirtschaftswachstums auf derartigen Manipulationen beruht. Inzwischen macht bereits das Wort vom "amerikanischen Wohlstand durch Buchführung" die Runde (Neue Solidarität Nr. 37/2000). Denn die durch den hedonischen Ansatz bei der Statistik ausgewiesenen Dollar-Milliarden existieren in Wirklichkeit nicht und stehen daher weder für den Konsum noch für Investitionen zur Verfügung.

Sie werden jetzt mit Recht fragen, welchen Nutzen die US-Regierung aus diesen Manipulationen zieht. Hier gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Zum einen wird der eigenen Bevölkerung ein solides Wachstum vorgespiegelt und damit der angebliche Erfolg der Wirtschaftspolitik dokumentiert. Zum anderen erfolgt die Manipulation ganz gezielt, um die US-Wirtschaft im Ausland als wachstumsstark erscheinen zu lassen. Nur so lassen sich nämlich die jährlich zur Finanzierung des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits erforderlichen 300 bis 400 Mrd. Dollar aus dem Ausland anlocken.

urbs-media Praxistipp: Für Kapitalanleger, die auf die anspringende Konjunktur in den Vereinigten Staaten setzen, bedeuten die geschönten US-Statistiken ein klares Warnsignal. Der dortige Aufschwung wird von der offiziellen Statistik krass überzeichnet und findet in der Realität derzeit weitgehend keine Entsprechung. Das Phänomen ist in Deutschland auch nicht völlig unbekannt, wie sporadische Presseveröffentlichungen (z.B. in der Financial Times vom 28.3.2001 und in der Börsenzeitung vom 19.1.2001) belegen. Unserer Meinung nach wird die Diskrepanz zwischen der amtlichen Statistik und der realen Wirtschaftsentwicklung von den Anlegern außerhalb der USA derzeit aber noch viel zu wenig beachtet.

Selbst der oberste Währungshüter der USA Greenspan sorgt sich inzwischen wegen der Vorgehensweise der US-Statistiker, da die amtlichen Zahlen für die US-Notenbank keine verläßliche Grundlage mehr für deren währungspolitische Entscheidungen sind. Da bleibt nur zu hoffen, dass die europäischen Staaten diese hedonische Form der Wirtschaftsstatistik nicht auch bei uns einführen. Denn spätestens dann würde sich die alte Weisheit bestätigen: "Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast".



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