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Ärzte und Apotheker warnen vor der Teilnahme am Barmer-Hausarzt-Programm


urbs-media, 12.9.2005: Seit Anfang März haben die Versicherten der Barmer-Ersatzkasse die Möglichkeit, einen so genannten Hausarzt- und Hausapothekenvertrag zu unterzeichnen. Kernpunkte dieser Vereinbarung sind: Die Versicherten müssen von wenigen Ausnahmen abgesehen immer zuerst den Hausarzt aufsuchen und alle Medikamente (auch die frei verkäuflichen) bei einer bestimmten Hausapotheke kaufen.

In der vom Versicherten zu unterzeichnenden "Beitrittserklärung" heißt es hierzu:

  • Mein gewählter Hausarzt ist der erste Ansprechpartner für alle meine medizinischen Fragen. Den Facharzt nehme ich nur auf Überweisung meines Hausarztes in Anspruch. Diese Regelung gilt nicht im Vertretungsfall, während meiner urlaubsbedingten Abwesenheit und für die Inanspruchnahme des Notdienstes. Fachärzte für Gynäkologie und Augenärzte kann ich weiterhin direkt aufsuchen.

  • Alle mir verordneten Medikamente sowie jene der Selbstmedikation beziehe ich grundsätzlich in der von mir gewählten Hausapotheke.

Als Gegenleistung erhält der Versicherte von der Barmer einen Rabatt auf die Praxisgebühr. Konkret braucht er im Jahr nur noch einmal die von der Bundesregierung für ein Quartal festgelegte Gebühr von 10 Euro zu bezahlen und spart somit in der Theorie 30 Euro, nämlich dann, wenn er in jedem Quartal mindestens einmal den Arzt aufsuchen muss.

Ärzte und Apotheker warnen inzwischen aber vor gravierenden Nachteilen für diejenigen Patienten, die den Barmer-Hausarztvertrag unterzeichnen. Denn die Versicherten geben ihr Recht auf freie Arztwahl auf und können sich nur noch bei denjenigen Hausärzten behandeln lassen, die ihrerseits mit der Barmer einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Und dieser zusammen mit den Anlagen mehr als 50-seitige Text hat es wirklich in sich.

Die Ärzte verpflichten sich nämlich, den teilnehmenden Patienten nur noch preiswerte Medikamente zu verschreiben. So streben die Vertragsparteien z.B. bei den teilnehmenden Patienten eine im Vergleich zum GKV-Durchschnitt deutlich kostengünstigere Ausgabenentwicklung an. Dazu gehören der Verordnungsverzicht für so genannte Scheininnovationen, die sinnvolle Nutzung der Aut-idem-Regelung und die verstärkte Verordnung von Generika. Das soll vornehmlich bei Patienten über 50 Jahren umgesetzt werden, die hohe Krankheitskosten verursachen. Außerdem sind die Ärzte verpflichtet, diejenigen Patienten, die am Barmer Hausarzt- und Hausapothekenmodell teilnehmen, im Krankheitsfall nur in die preiswertesten Krankenhäuser in der Region einzuweisen.

urbs-media Praxistipp: Angesichts der eindeutigen Leistungseinschränkungen für die Teilnehmer am Hausarztmodell sollten sich die Versicherten gut überlegen, ob ihnen dies einen Nachlass von maximal 30 Euro pro Jahr bei der Praxisgebühr wert ist. Dies gilt im übrigen nicht nur für die Barmer-Ersatzkasse, sondern auch für andere gesetzliche Krankenkassen, die ihren Versicherten ähnliche Modelle anbieten.

Der eindeutige Gewinner scheint hier ausschließlich die Krankenkasse zu sein. Denn die am Hausarztmodell teilnehmenden Mediziner sind ausdrücklich verpflichtet, möglichst viele Barmer-Patienten in so genannte Disease-Management-Programme (DMP) einschreiben. Hierfür erhält die Barmer pro Patient dann bis zu 5.000 Euro aus dem Risikostrukturausgleich der gesetzlichen Krankenkassen. Im Vergleich dazu sind die 35 Euro Aufwandsentschädigung pro Patient und Jahr sowie der Anteil von 30 Prozent bei den eingesparten Medikamenten für die Ärzte beim Hausarztmodell nur ein Trinkgeld.

Problematisch erscheint auch die Bindungsfrist für die Patienten beim Hausarztmodell von einem Jahr. Hier erlaubt der vom Patienten unterzeichnete Vertrag eine Kündigung nur spätestens drei Monate vor Ablauf des Teilnahmejahres. Ansonsten verlängert sich der Hausarztvertrag um ein weiteres Jahr. Ein Wechsel des Hausarztes bzw. des Hausapothekers ist lediglich im Falle eines Umzugs bzw. bei einem dauerhaft gestörten Vertrauensverhältnis möglich. Nach einem Beitrag der Wirtschaftswoche akzeptiert die Barmer aber auch Kündigungen vor Ablauf der Jahresfrist. In diesem Fall ist dann aber wieder die normale Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal zu entrichten.

Skepsis gegenüber dem Hausarztmodell der Barmer herrscht auch bei einigen Krankenkassen. So hat z.B. die Betriebskrankenkasse der Bahn angekündigt, keine vergleichbare Aktion durchzuführen. Die Kritik der Bahn-BKK richtet sich dabei vor allem gegen den Umstand, dass das Hausarztmodell der Barmer nur denjenigen Versicherten finanzielle Vorteile bringt, die häufig zum Arzt gehen, nicht aber denjenigen, die regelmäßig etwas für ihre Gesundheit tuen. Insgesamt werden Hausarzt- und Hausapothekenverträge nach dem Muster der Barmer daher vom Vorstand der Bahn-BKK nicht als Zukunftsmodell angesehen.

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