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Die landesrechtlichen Rauchverbote in Gaststätten verstoßen zum großen Teil gegen das Grundgesetz


urbs-media, 4.8.2008: In den vergangenen Monaten haben alle 16 Bundesländer so genannte "Nichtraucherschutzgesetze" erlassen. Diese landesrechtlichen Rauchverbote gelten z.B. für öffentliche Gebäude wie Schulen und Rathäuser, Museen und Kliniken sowie Sportstätten und Jugendheime. Darüber hinaus sind auch die Gaststätten in das Visier der Landespolitiker geraten. So ist in Baden-Württemberg das Rauchen in Gaststätten bereits seit 1.8.2007 verboten, Ausnahmen vom Rauchverbot gelten dort nur in abgetrennten Raucherräumen sowie in Wein- und Bierzelten.

Ähnliche Regelungen sind dann in den Folgemonaten auch in Bayern (1.1.08), Berlin (1.1.08), Brandenburg (1.1.08), Bremen (1.1.08), Hamburg (1.1.08), Hessen (1.10.07), Mecklenburg-Vorpommern (1.1.08), Niedersachsen (1.10.07), Rheinland-Pfalz (15.2.08), Saarland (15.2.08), Sachsen (1.2.08) und Schleswig-Holstein (1.2.08) in Kraft getreten. Die letzten beiden Bundesländer, in denen der Tabakkonsum in Gaststätten verboten wurde, waren die Länder Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Dort sind entsprechende Nichtraucherschutzgesetze am 1.7.2008 in Kraft getreten.

Bei den betroffenen Gastwirten gab es schon frühzeitig Widerstand gegen die Rauchverbote. Denn es zeigte sich z.B. schon in den ersten Tagen des Rauchverbots in Baden-Württemberg, dass diejenigen Gastwirtschaften, die aus räumlichen Gründen keine speziellen Raucherräume einrichten konnten und damit komplett rauchfrei bleiben mussten, erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Folglich war es auch ein Gastwirt mit nur einem Raum aus Baden-Württemberg, der als erster beim Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf den Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz gegen das Rauchverbot in seinem Lokal klagte. Außerdem haben ein Gastwirt aus Berlin und ein Diskothekenbetreiber aus Baden-Württemberg Verfassungsbeschwerde gegen die landesrechtlichen Nichtraucherschutzgesetze erhoben.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsbeschwerden im wesentlichen stattgegeben. Hiernach darf sowohl in Berlin als auch in Baden-Württemberg in so genannten Eckkneipen mit nur einem Gastraum weiterhin geraucht werden.

Voraussetzung für eine solche Ausnahme vom Rauchverbot ist, dass

  • die betroffene Gaststätte keine zubereiteten Speisen anbietet,
  • eine Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern hat,
  • nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt und
  • Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist.
Zudem muss die Gaststätte im Eingangsbereich als Rauchergaststätte, zu der Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, gekennzeichnet sein.

Verfassungswidrig ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch das absolutes Rauchverbot für Diskotheken in Baden-Württemberg. Denn es ist mit Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, dass auch Diskotheken, zu denen Jugendliche keinen Zutritt erhalten, von der Möglichkeit ausgeschlossen sind, Raucherräume einzurichten. Der generelle Ausschluss der Diskotheken von der Begünstigung, die in der Ausnahme abgetrennter Raucherräume vom Rauchverbot zu sehen ist, ist nicht gerechtfertigt.

(Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 30.8.2008 - 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08)

urbs-media Praxistipp: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht gilt zunächst nur bis zum 31.12.2009. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die beanstandeten Nichtraucherschutzgesetze in Baden-Württemberg und Berlin entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geändert werden. Über die entschiedenen Einzelfälle hinaus haben die Entscheidung aus Karlsruhe zum Rauchverbot in Gaststätten aber auch Auswirkungen auf die meisten anderen Bundesländer. Hier darf jetzt unter den vom Verfassungsgericht genannten Voraussetzungen ebenfalls in kleineren Schankwirtschaften wieder geraucht werden.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen das bayrische Nichtraucherschutzgesetz, das mit Ausnahme von Festzelten in der gesamten Gastronomie das Rauchen verbietet. Da in Bayern separate Raucherräume in Gaststätten nicht zulässig sind, werden Betriebe mit nur einem Gast-Raum folglich auch nicht gegenüber größeren Betrieben benachteiligt.

Keine Änderungen beim Rauchverbot wird es vermutlich auch im Saarland geben. Dort sind nämlich qua Gesetz kleinere Gaststätten vom Rauchverbot befreit, wenn dort nur der Inhaber oder dessen Familienangehörige die Gäste bedienen. Diese Regelung entspricht im Grundsatz den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Mit Ausnahme von Bayern und dem Saarland gibt es jetzt in den übrigen Bundesländern aber eine große Rechtsunsicherheit: Ursache hierfür ist die Beschränkung der Ausnahmeregelung auf solche Gaststätten, deren Gastfläche 75 Quadratmeter nicht überschreitet und die keine "zubereiteten Speisen" anbieten. Gastfläche im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsurteils bedeutet nämlich nicht Grundfläche. Nach der Definition der Karlsruher Richter ist die Gastfläche der Bereich, in dem Tische und Stühle für den Aufenthalt von Gästen bereitgehalten werden". Hier ist Streit schon vorprogrammiert, denn während z.B. der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga meint, dass Schank- und Thekenbereich nicht mitgezählt werden, wollen verschiedene Ordnungsämter diesen Bereich in die Gastfläche einrechnen, wenn dort Stühle oder Barhocker stehen.

Unklar ist auch, wann es sich um zubereitete Speisen handelt. Nach der Definition des Gaststättenverbands Dehoga sind Speisen selbst zubereitet, wenn sie be- oder verarbeitet werden, also erhitzt, erwärmt oder in irgendeiner anderen Art und Weise bearbeitet werden. Wer als Wirt seinen Gästen z.B. kalte Würstchen anbietet, verstößt nicht gegen das Rauchverbot. Sobald das gleiche Würstchen aber erhitzt wird, liegt eine zubereitete Speise vor und in dem Lokal darf nicht geraucht werden. Entsprechendes gilt auch dann, wenn Kartoffelsalat auf der Speisekarte steht: Fertig aus dem Eimer darf er auch in Raucherkneipen serviert werden, aber wehe der Wirt hat den Salat selbst zubereitet. Ironisch hat der Tagesspiegel in Berlin daher die kulinarische Zukunft in Raucherkneipen schon wie folgt kommentiert: "Qualmen nur bei trocken Brot", denn selbst ein Käse- oder Mettbrötchen gilt schon als zubereitete Speise.

Hier wird es daher bald zahlreiche Gerichtsverfahren geben, bei denen um die Größe des Gästebereichs und um die Frage gestritten wird, ob Speisen selbst zubereitet wurden oder nicht. Nach Informationen der Netzzeitung sollen die ersten Städte bereits "Denunziantentelefone" eingerichtet haben, um Verstöße gegen das "Essverbot" in Raucherlokalen zu melden!

In Nordrhein-Westfalen werden die Raucherclubs auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Sicherheit nicht abnehmen. Denn dort ist auch die Verabreichung von Speisen an die Clubmitglieder uneingeschränkt zulässig. Ein Raucherclub in Düsseldorf hat inzwischen schon mehr als 20.000 eingeschriebene Mitglieder und ist damit innerhalb von wenigen Tagen zum größten Verein in der Stadt geworden.



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