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Auch Umwege bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz können als Werbungskosten abgesetzt werden


urbs-media, 19.3.2012: Die steuerliche Behandlung von Fahrtkosten treibt den Berufspendlern in Deutschland schon seit vielen Jahren die Zornesröte ins Gesicht. Denn die verschiedenen Bundesregierungen hatten in der Vergangenheit alle möglichen Tricks genutzt, um den Werbungskostenabzug für die Kosten von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erschweren bzw. vollständig auszuschließen. Dabei ist es gleichgültig, ob die jeweiligen Kanzler nun Kohl, Schröder oder Merkel heißen. Wir erinnern uns. Die letzte und vermutlich drastischste Verschlechterung für Berufspendler hatte die so genannte Große Koalition zum 1.1.2007 beschlossen und schlichtweg den Weg zur Arbeitsstätte zur steuerlich unbeachtlichen Privatsache erklärt und lediglich ab dem 21. Entfernungskilometer 0,30 Euro zum Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug zugelassen.

Obwohl praktisch alle Steuerrechtsexperten diese Einschränkungen als offensichtlich verfassungswidrig bezeichneten, dauerte es noch bis zum Dezember 2008, bis das Bundesverfassungsgericht diesen "Raubzug" der damaligen schwarz-roten Bundesregierung gegen die Menschen in Deutschland für illegal erklärte und die Pendlerpauschale wieder ab dem ersten Entfernungskilometer einführte. Gleichzeitig wurde das Finanzministerium verpflichtete, den Berufspendlern in Deutschland die zwischenzeitlich zuviel gezahlten Steuern in Höhe von etwa 2,5 Mrd. Euro zu erstatten (BVerfG, Urteile vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 und 2 BvL 2/08).

Aber auch nach der Wiedereinführung der ungekürzten Pendlerpauschale gibt es bei den Fahrtkosten noch zahlreiche Streitpunkte zwischen den betroffenen Berufspendlern und der Finanzverwaltung. Besonders ärgerlich für viele Berufspendler ist dabei die Praxis der Finanzverwaltung, für die Berechnung der Entfernungspauschale grundsätzlich nur die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsort zu berücksichtigen. Zwar wurde in Ausnahmefällen auch Umwege zugelassen, allerdings nur dann, wenn sich hierdurch die Fahrzeit um mindestens 20 Minuten verkürzte.

Der Bundesfinanzhof hat jetzt entschieden, dass diese Einschränkung des Werbungskostenabzugs für Fahrtkosten rechtswidrig ist. Denn es gibt im deutschen Steuerrecht keine Rechtsgrundlage dafür, alternative Wegstrecken zum Arbeitsplatz nur dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Zeitersparnis mindestens 20 Minuten beträgt. Eine derartige zeitliche Einschränkung schließt nämlich Pendler auf Kurzstrecken unzulässigerweise vom Werbungskostenabzug aus, wenn diese aus verkehrsbedingten gründen (z.B. regelmäßige Staus auf dem direkten Weg) einem Umweg zur Arbeit fahren.

Konkret hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Umwegstrecke immer dann ohne Einschränkungen beim Werbungskostenabzug zu berücksichtigen ist, wenn sich jeder unvoreingenommene, verständige Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der längeren Strecke entschieden hätte. Zu vergleichen sind dabei die kürzeste und die vom Arbeitnehmer regelmäßig für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte längere Straßenverbindung. Weitere mögliche, vom Arbeitnehmer tatsächlich aber nicht benutzte Fahrtstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden dagegen bei diesem Vergleich nicht berücksichtigt.

Von diesem Urteil werden vermutlich mehrere Millionen der rund 15 Mio. deutschen Berufspendler profitieren, deren Pendlerpauschale die Finanzverwaltung bisher immer nach der kürzesten Entfernung berechnet hat. Für vergangene Veranlagungszeiträume können sich jedoch nur diejenigen Steuerpflichtigen auf die für sie günstige BFH-Rechtsprechung berufen, die gegen die entsprechenden Steuerbescheide Einspruch eingelegt und den Rechtsweg beschritten haben.

(BFH, Urteil vom 16.11.2011 - VI R 46/10 und VI R 19/11)

urbs-media Praxistipp: Wer aber nun glaubte, der deutsche Fiskus werde nach der jüngsten Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht die Berufspendler in Ruhe lassen, sieht sich bitter enttäuscht. Zwar gibt es jetzt keine neuen gesetzlichen Verschlechterungen für den Fahrtkostenabzug, die Finanzverwaltung hat sich stattdessen aber ohne gesetzliche Grundlage einen einfachen "Rechentrick" einfallen lassen. Die Geschädigten sind diesmal diejenigen Berufstätigen, die einen weiten Weg zum Arbeitsplatz zurücklegen müssen und hierfür kein eigenes Kraftfahrzeug benutzen.

Denn laut § 8 Abs. 1 Nr. 4 EStG gilt in derartigen Fällen für den Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug ein Höchstbetrag von 4.500 Euro im Kalenderjahr. Die Finanzverwaltung hat im Jahr 2010 nunmehr nämlich klammheimlich rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2009 das Computerprogramm für die Berechnung der Entfernungspauschale dergestalt geändert, dass der Höchstbetrag nun anteilig für jeden tatsächlichen Arbeitstag gewährt wird. Und wer dann seine Wege zwischen Wohnort und Arbeitsplatz teilweise mit dem eigenen Kfz und teilweise mit anderen Verkehrsmitteln zurücklegt, dessen jährliche Steuerbelastung kann durch die neue Berechnungsmethode der Finanzverwaltung durchaus um mehrere hundert Euro steigen.

Beispiel: Ein Fernpendler wohnt 120 Kilometer von seiner Arbeitsstelle. Im Veranlagungszeitraum 2009 hat er diese Strecke an insgesamt 235 Tagen zurückgelegt. Im Winter (100 Arbeitstage) benutzt er öffentliche Verkehrsmittel, im Sommer (135 Arbeitstage) den eigenen Pkw.

Weil die Finanzverwaltung seit dem Veranlagungszeitraum 2009 den Höchstbetrag von 4.500 Euro für die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur noch anteilig für 90 Arbeitstage anerkennt, ergibt sich jetzt folgende Rechnung:

  • 100 Tage zu je 0,30 Euro x 120 Entfernungskilometer = 3.600 Euro

    Unter Berücksichtigung des nur noch anteilig für jeden tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Wegs zur Arbeitsstätte gewährten pauschalen Höchstbetrags von 4.500 Euro reduziert sich der individuelle Höchstbetrag wie folgt:

  • 4.500 Euro : 235 Arbeitstage x 100 Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln = 1.914,89 Euro
Statt der nach alter Berechnungsmethode abzugsfähigen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel in Höhe von 3.600 Euro erkennt die Finanzverwaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nur noch anteilige Kosten in Höhe von 1.915 Euro an. Der Werbungskostenabzug reduziert sich damit um 1.685 Euro, was z.B. bei einem individuellen Einkommensteuersatz von 35 Prozent einen realen Einkommensverlust von 589,75 Euro bedeutet.

Wer für den Weg zur Arbeit teilweise andere Verkehrsmittel als das eigene Kraftfahrzeug benutzt hat und damit zu den Opfern der neuen taggenauen Höchstbetragsberechnung gehört, sollte gegen den Einkommensteuerbescheid unbedingt Einspruch einlegen. Denn für die Praxis der Finanzverwaltung gibt es keinerlei Rechtsgrundlage - sie ist willkürlich und damit verfassungswidrig. Ja - selbst in dem amtlichen BMF-Schreiben zur Pendlerpauschale vom 31.8.2009 (BStBl. 2009 I S. 891, Ziffer 1.5) wird eine anteilige Kürzung des Höchstbetrags nicht vorgenommen!



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