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Was bringt das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz den Bürgern in Deutschland wirklich?


urbs-media, 16.11.2009: Bei der Erfindung von irreführenden Bezeichnungen für neue Gesetze haben es die verschiedenen Bundesregierungen in den letzten Jahren zu einer wahren Meisterschaft gebracht, die selbst die Wortschöpfungen von George Orwell in seinem Roman 1984 in den Schatten stellt. Da werden Steuererhöhungen von der Bundesregierung frech in einem Steuerentlastungsgesetz versteckt und Leistungsbeschränkungen im Sozialbereich nennt man ungeniert Gesundheitsreform. Wenn die neue schwarz-schwarz-gelbe Bundesregierung jetzt den Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes (WBG) vorlegt, dann wissen die Deutschen aus jahrelanger leidvoller Erfahrung, dass sich in diesem Gesetz alles Mögliche verbirgt, nur keine nachhaltigen Impulse zur Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation für die Mehrheit der Bundesbürger.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) spricht in diesem Zusammenhang von einem "Gesetz zur Beschleunigung der öffentlichen Armut". Die Tageszeitung (TAZ) meint in ihrer Ausgabe vom 10.11.2009, dieses Gesetz diene nicht der Beschleunigung des Wachstums, sondern der "Entschleunigung des Wählerabflusses". Diese Einschätzung wird auch von der urbs-media Redaktion geteilt. Offensichtlich geht es CDU und FDP jetzt in erster Linie darum, dramatische Stimmenverluste bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu vermeiden. Was Merkel und Westerwelle wirklich vorhaben, erfahren die Bürger in Deutschland erst nach den NRW-Wahlen im Mai 2010.

1. Anhebung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds

Zum 1.1.2010 soll der einkommensteuerliche Kinderfreibetrag (§ 32 Absatz 6 Satz 1 EStG) von gegenwärtig 6.024 Euro auf 7.008 Euro pro Jahr steigen. Zugleich soll auch das Kindergeld (§ 6 Abs. 1 BKGG) angehoben werden, und zwar um 20 Euro pro Monat und Kind.

Entsprechend den Plänen der Bundesregierung würde sich die Erhöhung des Kindergelds ab 1.1.2010 je nach Anzahl der Kinder wie folgt auswirken:

  • Für das erste und das zweite Kind soll das Kindergeld von gegenwärtig 164 Euro auf 184 Euro steigen.
  • Für das dritte Kind soll das Kindergeld von gegenwärtig 170 Euro auf 190 Euro steigen.
  • Für das vierte und jedes weitere Kind soll das Kindergeld von gegenwärtig 195 Euro auf 215 Euro steigen.
In den Genuss der erhöhten Kinderfreibeträge kommen aber nur diejenigen Eltern, die ein jährliches steuerpflichtiges Einkommen von mindestens 63.000 Euro haben. Für die Normalverdiener bleibt es bei dem um 20 Euro erhöhten Kindergeld, weil sich der steuerliche Vorteil durch den Kinderfreibetrag erst ab diesem Einkommen auswirkt.

Noch übler sieht es für die Kinder von Hartz-IV Beziehern aus. Denn dort wirkt sich die geplante Anhebung des Kindergeldes von 20 Euro überhaupt nicht aus, weil das Kindergeld in vollem Umfang auf die Hartz-IV Regelsätze angerechnet wird.

urbs-media Praxistipp: Vor dem Bundesverfassungsgericht wird gerade verhandelt, ob die Regelsätze für Kinder dem vom Grundgesetz garantierten Existenzminimum entsprechen (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Nach einer ersten Anhörung am 20.10.2009 durch die Karlsruher Richter deutet sich an, dass das Gericht die gegenwärtigen Kinder-Regelsätze für verfassungswidrig erklären wird. Denn die Bundesregierung konnte nicht nachvollziehbar darlegen, wieso sich der tatsächliche Bedarf von Kindern nach einem prozentualen Abschlag vom Hartz IV-Regelsatz für Erwachsene ermitteln lässt.

2. Steuererleichterungen für Erben

2.1 Senkung der Erbschaftsteuer für die Steuerklasse II

Für Geschwister sowie für Neffen und Nichten des Erblassers (Erbschaftsteuerklasse II) soll der Steuersatz gesenkt werden. Vorgesehen ist ein neuer Steuertarif von 15 bis 43 Prozent statt bisher von 30 bis 50 Prozent (§ 19 Abs.1 ErbStG).

Neben Geschwistern und Geschwisterkindern (Nichten und Neffen) zählen auch Schwiegereltern, Schwiegerkinder und geschiedene Ehegatten zur Erbschaftsteuerklasse II. Außerdem werden bei Schenkungen unter Lebenden auch Eltern und Großeltern in die Steuerklasse II eingeordnet, die im Erbfall aber zur Steuerklasse I zählen.

Konkret sind folgende Änderungen in der Steuerklasse II geplant:

Wert des erworbenen Vermögens Steuersatz
aktueller Steuersatz seit 1.1.2009 geplanter Steuersatz ab 1.1.2010
bis 75.000 Euro 30 Prozent 15 Prozent
bis 300.000 Euro 30 Prozent 20 Prozent
bis 600.000 Euro 30 Prozent 25 Prozent
bis 6.000.000 Euro 30 Prozent 30 Prozent
bis 13.000.000 Euro 50 Prozent 35 Prozent
bis 26.000.000 Euro 50 Prozent 40 Prozent
über 26.000.000 Euro 50 Prozent 43 Prozent

urbs-media Praxistipp: Die Pläne der neuen Bundesregierung zur Senkung der Erbschaftsteuersätze in der Steuerklasse II sind keine Steuererleichterung im engeren Sinne. Denn die geplante Neuregelung gleicht noch nicht einmal vollständig diejenigen Erhöhungen der Erbschaftsteuersätze aus, die die Große Koalition erst zum 1.1.2009 in Kraft gesetzt hatte. Wenn die Neuregelung wie geplant zum 1.1.2010 in Kraft tritt, werden außerdem alle diejenigen massiv benachteiligt, die im Laufe des Jahres 2009 geerbt haben.

2.2 Erleichterungen für Erben von Betriebsvermögen

Seit 1.1.2009 wird den Erben von Betriebsvermögen die Erbschaftsteuer ganz oder teilweise erlassen, wenn sie das ererbte Unternehmen für eine bestimmte Zeit fortführen und in diesem Zeitraum die vom Betrieb an die Arbeitnehmer gezahlte Lohnsumme im wesentlichen unverändert bleibt. Konkret sieht das seit Anfang 2009 geltende Erbschaftsteuergesetz in § 13 a ErbStG vor, dass 85 Prozent des Unternehmenswertes steuerfrei bleiben, wenn der Betrieb mindestens 7 Jahre fortgeführt wird und während dieser Zeit die Lohnsumme im wesentlichen unverändert bleibt. Ein vollständiger Erlass der Erbschaftsteuer tritt bisher dann ein, wenn der Betrieb 10 Jahre fortgeführt wird.

Zum 1.1.2010 sollen diese Fortführungsfristen auf 5 Jahre für den 85-prozentigen Erlass der Erbschaftsteuer und auf 7 Jahre für den vollständigen Erlass der Erbschaftsteuer verkürzt werden. Außerdem sollen künftig auch Verringerungen der betrieblichen Lohnsumme während der Fortführungszeit großzügiger gehandhabt werden. Schließlich soll das Erfordernis einer bestimmten Lohnsumme bei Unternehmen entfallen, die nicht mehr als 20 Beschäftigte haben. Bisher gilt hier eine Obergrenze von 10 Beschäftigten.

urbs-media Praxistipp: Wir halten die steuerliche Privilegierung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer weiterhin für verfassungswidrig. Hier werden unserer Meinung nach vom Gesetzgeber entgegen dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 GG) die Erben von Grundvermögen oder Kapitalvermögen rechtswidrig benachteiligt.

3. Wiedereinführung der 410-Euro-Grenze bei der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern

Mit Wirkung zum 1.1.2008 hatte die Große Koalition die Wertgrenze für die Sofortabschreibung so genannter geringwertiger Wirtschaftsgüter von ehemals 410 Euro auf 150 Euro gesenkt (§ 6 Abs. 2 EStG). Zugleich wurde für alle beweglichen Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zwischen 150 und 1.000 Euro eine Abschreibungsfrist von 5 Jahren verbindlich festgelegt.

Mit Wirkung zum 1.1.2010 sollen nunmehr die alten Regeln zur Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern wieder in Kraft gesetzt werden. Steuerpflichtige können dann derartige betrieblich bedingten Anschaffungen bis zu einem Betrag von 487,90 Euro (410 Euro zuzüglich 19 Prozent Umsatzsteuer) wieder auf einmal im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung abschreiben.

urbs-media Praxistipp: Es soll aber auch nach dem 1.1.2009 dabei bleiben, dass alle Wirtschaftsgüter mit einem Wert über 150 Euro bis zum Wert von 1.000 Euro von den Unternehmen in einem besonderen Verzeichnis aufgeführt werden müssen. Damit werden die von CDU/CSU und SPD eingeführten Verschlechterungen bei den Abschreibungsmöglichkeiten zwar wieder rückgängig gemacht, der bürokratische Mehraufwand soll den Betroffenen nach dem Willen der neuen Bundesregierung jedoch erhalten bleiben.

4. Senkung der Mehrwertsteuer für Beherbergungsbetriebe

Für Hotels, Pensionen, Gasthöfe und Ferienwohnungen soll die Umsatzsteuer auf Übernachtungsleistungen ab 1.1.2010 von derzeit 19 Prozent durch einen neuen § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG auf 7 Prozent gesenkt werden.

Die EU hat den Weg für Senkungen des Umsatzsteuersatzes ausdrücklich auch für Gaststättenleistungen eröffnet. Hiervon haben auch bereits einige europäische Länder Gebrauch gemacht. In der Bundesrepublik wird durch die Beschränkung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Übernachtungsleistungen dann ab 1.1.2010 die absurde Situation eintreten, dass z.B. Frühstück und Abendessen bei Halbpension mit 19 Prozent zu versteuern sind, während die Übernachtung nur einem Umsatzsteuersatz von 7 Prozent unterliegt.

urbs-media Praxistipp: Es ist offensichtlich, dass hier Missbrauchsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet werden. Denn es ist leicht möglich, Speiseumsätze in der Kalkulation sehr niedrig anzusetzen und damit einen steuerlich günstigen Pauschalpreis für Übernachtung und Speisen anzubieten. Man könnte die Abgabe von Speisen und Getränken sogar als Nebenleistung der Beherbergung anzusehen (Nr. 29 Abs. 5 UStR) und hierauf ebenfalls nur 7 Prozent Umsatzsteuer abzuführen. Dies führt dann zu einer massiven (und auch verfassungswidrigen) steuerlichen Benachteiligung von reinen Speisegaststätten.

5. Erleichterungen bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von betrieblichen Schuldzinsen

Die Große Koalition hatte in das deutsche Einkommensteuergesetz eine so genannte Zinsschranke eingeführt (§ 4 h EstG). Zweck dieser Regelung war es, Gewinnverlagerungen von Deutschland ins Ausland entgegenzuwirken. Denn es hatte sich insbesondere bei internationalen Unternehmen eingebürgert, die Betriebsstätten in Deutschland mit zu wenig Eigenkapital auszustatten und diesen die fehlenden Geldmittel dann von der ausländischen Konzernmutter zu überhöhten Zinsen als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Diese Zinsschranke galt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.5.2007 begonnen hatten.

Diese durchaus sinnvolle Regelung im Kampf gegen Gewinnverschiebungen von internationalen Konzernen ins steuergünstige Ausland soll jetzt wieder entschärft werden.

6. Zusammenfassung

Wenn man die einzelnen geplanten Gesetzesänderungen betrachtet, dann stellt sich dem unbefangenen Beobachter zwangsläufig die Frage, wo hier die Impulse liegen sollen, um zusätzliches Wachstum in Deutschland zu generieren. Bei der Mehrzahl der Änderungen handelt es sich nämlich um Korrekturen von Gesetzen, die kaum seit zwei Jahren in Kraft sind. Das Gesetz müsste daher eigentlich "Reparaturgesetz zur Beseitigung von schlimmen Fehlern der großen Koalition" heißen.

Außerdem enthält das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz mehrere Regelungen, die vermutlich einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten dürften. Dies gilt z.B. für die Privilegierung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer und die Benachteiligung von reinen Speisegaststätten im Vergleich zu Beherbergungsbetrieben bei der Umsatzsteuer.

Auch die Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag sind keine großzügigen Geschenke von Schwarz-Schwarz-Gelb an die Familien, sondern haben eine ganz andere Ursache. Das Bundesverfassungsgericht wird vermutlich schon bald die bisherigen steuerlichen und sozialrechtlichen Regelungen zur finanziellen Förderung von Kindern für verfassungswidrig erklären. Mit den jetzt geplanten geringfügigen Verbesserungen versucht die neue Bundesregierung offensichtlich, das erwartete Urteil aus Karlsruhe zumindest für die Zukunft ins Leere laufen zu lassen.



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