Die wundersamen Rechen-Tricks in den amerikanischen Wirtschafts-Statistiken
urbs-media, 1.10.2012: Obwohl der private Wohlstand bei den meisten Bürgern immer weiter sinkt, deuten die Zahlen der Statistikbehörden weiterhin auf Wachstum. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern speziell auch für die USA. Dort leben nach Angaben der Landwirtschaftsbehörde USDA inzwischen aber gut 46 Mio. Amerikaner von der staatlichen Wohlfahrt und erhalten Essensmarken (so genannte Food-Stamps) zum täglichen Überleben. Dennoch behauptet der amtierende US-Präsident Obama, den Bürgern in Amerika ginge es jetzt besser als unter seinem Amtsvorgänger Busch. Am Ende dessen Amtszeit waren hingegen "nur" etwa 28 Mio. Amerikaner auf die staatlichen Essensmarken angewiesen.
Das I-Phone als Retter für die amerikanische Wirtschaft?
Wie diese verblüffenden Statistik-Kunststücke in Amerika funktionieren, wollen wir einmal am Beispiel des I-Phones von Apple demonstrieren. Denn laut einem Artikel in der Wiener Zeitung "Die Presse" vom 11.9.2012 behaupten amerikanische Ökonomen, durch den Verkaufstart des neuen I-Phones ab Ende September 2012 werde die amerikanische Wirtschaft einen zusätzlichen Wachstumsschub von 0,5 Prozent erhalten.
Rechnen wir einmal nach: Optimistischen Schätzungen zufolge sollen von dem etwa 600 Dollar teure "Edel-Handy" in den USA im vierten Quartal 2012 etwa 8 Mio. Stück verkauft werden. Das bedeutet unter dem Strich einen Umsatz in den USA von 4,8 Mrd. Dollar. Davon fließen nach Berechnungen von Experten etwa 1,6 Mrd. Dollar an den Hersteller des Gerätes, die Firma Foxconn in China. Somit verbleiben in den USA 3,2 Mrd. Dollar als potentieller Beitrag des I-Phones zum Bruttoinlandsprodukt.
Und weil die Amerikaner bei ihren Wirtschafts-Statistiken so überaus großzügig sind, wird dieser Betrag einfach mit vier multipliziert. Die pfiffige Begründung der Trallala-Statistiker in Washington: Die Wachstumszahlen eines Quartals müsse auf das Gesamtjahr hochgerechnet werden. Das ist total irre, denn damit werden Einmaleffekte in der Statistik per Dekret zu ganzjährigen Ereignissen umfunktioniert. Mit der gleichen Begründung könnte man das Weihnachtsgeschäft im 4. Quartal auch auf die übrigen drei Quartale hochrechnen. Ohne diesen Rechnentrick ergibt sich folglich im Jahr 2012 ein maximaler Beitrag des I-Phones zum US-BIP in Höhe von 0,125 Prozent.
Teil zwei der amerikanischen Milchmädchenrechnung
Aber auch in dieser Höhe beruht der unterstellte Wachstumsschub durch das I-Phone auf einer klassischen Milchmädchenrechnung der US-Statistiker: Die genannten 3,2 Mrd. Dollar Umsatz durch das neue Apple-Handy würden nämlich im laufenden Jahr nur dann in vollem Umfang zusätzliches Wachstum in den USA generieren, wenn die Konsumenten dort ansonsten ihre 600 Dollar für ein Apple-Handy überhaupt nicht ausgegeben hätten. Angesichts der Verschuldung der amerikanischen Haushalte müssen sich viele Apple-Fanatiker jedoch das I-Phone buchstäblich vom Munde absparen. Folglich geht der I-Phone-Umsatz eindeutig zu Lasten von anderen Konsumgütern, wie etwa Fastfood, Kino, Treibstoff usw. Deshalb wird sich der Beitrag des I-Phones zur US-Wirtschaftsleistung des Jahres 2012 vermutlich statistisch noch nicht einmal messen lassen.
Hinzu kommt, dass die von Apple anvisierten Verkaufszahlen für das I-Phone vermutlich reines Wunschdenken sind. Denn nach der ersten Euphorie der Telefon-Junkies hat sich herausgestellt, dass die im neuen I-Phone vorinstallierte Landkartensoftware praktisch unbrauchbar ist (Spiegel-Online). Viele potentielle IPhone-Kunden Kunden werden daher vor dem Kauf des neuen I-Phone auf ein Update für den Kartendienst warten. Und da diese gravierenden Fehler mit Sicherheit nicht mehr im laufenden Jahr behoben wird, könnte das diesjährige Weihnachtsgeschäft für Apple durch das Karten-Fiasko schlichtweg ausfallen.
Hinzu kommt, dass bei den neuen I-Phones viele der bisherigen Zubehörteile der älteren I-Phone-Modelle nicht mehr angeschlossen werden können. Alte Schutzhüllen, Dockingstationen usw. müssen folglich durch neues Zubehör ersetzt werden oder die Kunden müssen sich mit teuren und zusätzlich noch wackligen Adaptern behelfen. Denn es wurden beim I-Phone 5 im Vergleich zu den Vorgängermodellen sowohl die Geräte-Abmessungen als auch die Anschlüsse verändert. Angesichts des wachsenden Unmuts über diese Neuerungen bei der Apple-Gemeinde darf man getrost bezweifeln, ob sich die Nachfrage nach dem neuen Gerät tatsächlich so wie von Apple erwartet entwickeln wird. Dumm gelaufen!
Vergessen sollten wir auch nicht die steuerliche Seite des angeblichen I-Phone-Wunders: Die Firma Apple produziert überwiegen in Asien und zahlt dank ihres Firmengeflechts in den USA kaum Steuern. Und so ist das I-Phone realistisch betrachtet für das amerikanische Wirtschaftswachstum eine reine Nullnummer.
urbs-media Praxistipp: Was die Amerikaner mit ihren Wirtschaftsstatistiken können, das können die Deutschen natürlich auch. Von Amerika lernen heißt nämlich lügen lernen. Hedonische Indizes, die angebliche Produktverbesserungen als Preissenkung ausweisen, die gibt es seit 2002 nämlich auch in deutschen Statistiken.
Folglich sind unsere Wirtschaftsdaten eindeutig nach amerikanischen Vorbild verfälscht. Da verwundert es dann auch nicht, dass wir in den Schlagzeilen der deutschen Systemmedien seit Jahren wahre Jubelorgien über den angeblichen Aufschwung finden. Zuletzt titelte z.B. der Focus in seiner Ausgabe von Anfang Februar 2012: "Vom Angstsparen zum Konsumrausch".
Schon damals haben kritische Journalisten das Geschwätz von der angeblich in Deutschland herrschenden Kauflaune als plumpe Zweckpropaganda entlarvt und nachgewiesen, dass der Einzelhandelsumsatz im Weihnachtsgeschäft 2011 im Vergleich zum Vorjahr erneut zurückgegangen ist (Bankhaus Rott & Frank Meyer vom 31.1.2012).
Nach dem aktuellen Konjunkturumfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) vom 18. September 2012 bei 1.300 deutschen Einzelhandelsunternehmen hat sich die Stimmung im Einzelhandel erneut merklich abgekühlt. So sank der Saldo derjenigen Betriebe, die ihre wirtschaftlichen Aussichten mit gut bzw. mit schlecht bewerten, seit dem Frühjahr 2011 mit + 19 Prozentpunkten jetzt im Sommer 2012 auf - 7 Prozentpunkte. Angesichts der von der Bundesregierung ab dem Jahreswechsel 2012/2013 angekündigten happigen Preissteigerungen für Energie ist leicht absehbar, dass sich die Stimmung im deutschen Einzelhandel in den kommenden Jahren weiter eintrüben wird.
Inzwischen beklagen bereits 45 Prozent der befragten Einzelhandelsunternehmen im 1. Halb-Jahr 2012 Gewinnrückgänge. Besondere Absatzprobleme hat derzeit die Automobilbranche. Neben der allgemeinen Kaufzurückhaltung wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise sorgen hier die Spätfolgen der Abwrackprämie für einen teilweise dramatischen Absatzrückgang. Und so war der August 2012 mit EU-weit insgesamt 688.000 Neuzulassungen der schwächste Auto-Monat seit 10 Jahren. Insbesondere der Absatz von Klein- und Mittelklassewagen wird in den kommenden Jahren weiter zurückgehen. Dies wird in Deutschland die Hersteller Opel mit Werken in Rüsselsheim, Eisenach, Bochum und Kaiserslautern sowie Ford mit Standorten in Köln, Saarlouis und Aachen besonders hart treffen. Aber auch Mercedes und BMW bereiten sich auf einen deutlichen Absatzeinbruch in Deutschland vor.
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