AfA-Tabellen auf CD
AfA-Tabellen
auf CD-ROM
urbs - media GbR
– Ihr gutes Recht im Internet –
Startseite von urbs-media - www.urbs.de  Homepage
Zur übersicht: Alle aktuellen Kurz-Infos  Übersicht

Was bedeutet eine Insolvenz von Prokon für die ca. 70.000 Genussrechtsinhaber?


urbs-media, 13.1.2014: An dieser Stelle hatten wir bereits am 7.11.2011 in einem ausführlichen Beitrag Zweifel an der langfristigen Fähigkeit des Windparkbetreibers Prokon geäußert, seinen Anlegern die versprochene Verzinsung der Genussrechtsanteile in Höhe von 6 Prozent zu zahlen. Anlass für diese Warnung war ein Beitrag im Handelsblatt vom 11.7.2011, der über das Missverhältnis zwischen dem Unternehmensgewinn von Prokon und den Zinszahlungen an die Anleger informierte.

Unter dem Strich waren die Redakteure beim Handelsblatt nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die laufenden Zinszahlungen für die Anleger bei Prokon teilweise aus den Einzahlungen neue geworbener Genussrechts-Zeichner stammen müssen. Dies deutete also zumindest ansatzweise auf eine Art Schneeballsystem hin. Mit anderen Worten: Prokon erwirtschaftete zum damaligen Zeitpunkt mit seinen Windparks zwar solide Gewinne, die an die Anleger ausgeschütteten Zinsen waren jedoch deutlich höher als die Einnahmen aus der unternehmerischen Betätigung von Prokon.

Der lange Weg zur Zahlungsunfähigkeit

Weil diese begründeten Bedenken gegen die Finanzierbarkeit der versprochenen Zinsen jedoch damals nur sehr spärlich in der Wirtschaftspresse verbreitet wurden, gelang es der Firma Prokon in der Folgezeit vornehmlich bei Kleinanlegern, durch großangelegte Werbekampagnen weiteres Kapital im dreistelligen Millionenbereich für ihre Genussscheine einzuwerben.

Jetzt droht Prokon nach eigenen Angaben jedoch noch im Januar die Insolvenz, wenn die Anleger nicht (vorläufig) auf die Zinszahlungen verzichten und wenn der Kapitalabfluss durch die Kündigungen der Genussrechte nicht gestoppt wird (Schreiben der Unternehmensführung vom 11.1.2014 an alle Anleger).

Hintergrund für den finanziellen Engpass bei Prokon ist unter anderem, dass seit dem Herbst 2013 auch die Mainstream-Medien davor warnen, dass Prokon seine finanziellen Versprechungen voraussichtlich nicht werde einhalten können.

Diese in der Presse deutschlandweit verbreiteten Warnungen führten dazu, dass zahlreiche Anleger zum Ende des Jahres 2013 von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machten und Prokon innerhalb kurzer Zeit über 150 Mio. Euro an Genussrechts-Kapital zurückzahlen musste. Jetzt scheint das verfügbare Bar-Kapital aber endgültig aufgebraucht zu sein. Und folglich kündigt die Unternehmensleitung einen Insolvenzantrag an, wenn bis Mitte Januar 2014 nicht mindestens 95 Prozent der Anleger verbindlich erklären, dass Sie vorläufig auf weitere Kündigungen verzichten und zugleich statt der im Jahr 2014 fälligen Zinsen weitere Genussrechte akzeptieren.

Was bedeutet eine Insolvenz für die Genussrechte von Prokon?

Genussrechte sind nach deutschem Recht nachrangige Forderungen und werden im Insolvenzfall erst dann berücksichtigt, wenn alle anderen Gläubiger aus der Insolvenzmasse befriedigt wurden. Deshalb erleiden Inhaber von Genussrechten im Insolvenzfall im Regelfall einen Totalverlust.

Bei Prokon sieht die Sache hingegen etwas anders aus. Denn Prokon nimmt kaum Bankkredite in Anspruch und finanziert sich zu gut 95 Prozent durch die Ausgabe von Genussrechten. Damit scheiden die Banken und Sparkassen als vorrangige Gläubiger weitgehend aus. Mit anderen Worten: Das vorhandene Firmenvermögen wird im Insolvenzfall praktisch vollständig an die Anteilseigner ausgeschüttet.

Bei einer Firmenzerschlagung drohen dennoch hohe Verluste

Wenn hingegen im Insolvenzfall das Firmenvermögen (also die von Prokon betriebenen Windparks und die anderen Unternehmen) an Investoren aus der Finanzbranche veräußert werden, drohen den Anlegern herbe Verluste. Denken wir nur an den "Verkauf" von Karstadt an den Spekulanten Berggruen, der letzendlich das komplette Unternehmen vom Insolvenzverwalter für 1 Euro (in Worten: ein Euro) bekam.

Mit Sicherheit reiben sich gewisse Kreise aus der internationalen Hochfinanz bereits die Hände, spekulieren sie doch wie im Fall Karstadt darauf, im Insolvenzverfahren ganze Windparks für einen Spottpreis zu erwerben. Denn eines muss hier einmal klargestellt werden: Prokon mag zwar derzeit zahlungsunfähig sein, dennoch werfen die Windparks von Prokon unter dem Strich eine sichere Rendite von knapp drei Prozent ab.

Insolvenzanfechtung steht im Raum

Diejenigen Anleger, die ihr Engagement bei Prokon gekündigt und ihr Geld in den letzten Wochen und Monaten zurückbekommen haben, sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Denn das deutsche Insolvenzrecht verpflichtet den Konkursverwalter, unberechtigte Zahlungen von den Empfängern zurückzufordern. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 129 bis 131 der Insolvenzordnung (InsO):

§ 129 Grundsatz

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

§ 130 Kongruente Deckung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

  1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder

  2. wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

§ 131 Inkongruente Deckung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

  1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,

  2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder

  3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.
(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

Damit müssen jedenfalls alle diejenigen Anleger, die ihr Geld seit der öffentlichen Ankündigung der bevorstehenden Insolvenz zurückerhalten haben, mit einer Insolvenzanfechtung rechnen. Vermutlich wird man diesen Zeitraum sogar noch ausdehnen können, weil die Zahlungsunfähigkeit von Prokon schon länger bekannt war.

Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger will Unternehmensforführung sichern

Man kann zu dem Brandbrief der Prokon-Geschäftsleitung an die Anleger stehen wie man will: In einem Punkt hat der Firmengründer Carsten Rodbertus jedenfalls recht: Wenn es zur Zerschlagung des Unternehmens kommt, verlieren die Anteilseigner einen großen Teil ihres Kapitals. Gewinner eines Windhunderennens um die Filetstücke von Prokon sind dann nur Rechtsanwälte und internationale Großinvestoren.

Deshalb zitieren wir an dieser Stelle aus einer Pressemitteilung der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) vom 11.1.2014:

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. tritt für eine Fortführungslösung, auch im Falle einer Insolvenz, ein und hat daher bereits den Kontakt zu Prokon gesucht. Aus einer Vielzahl von Gesprächen mit betroffenen Genussrechtsinhabern hat die SdK den Eindruck gewonnen, dass die Genussrechtsinhaber keine homogene Gruppe darstellen. Bei der Investition der Anleger spielten eine Vielzahl von Motiven (Sicherheit, hoher Zinssatz, soziales Investment) eine Rolle für die Anlageentscheidung. Aufgrund der aus Sicht der SdK vorhandenen Vermögenswerte dürfte daher eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit bei gleichzeitiger Neugestaltung der Refinanzierung das Beste für alle betroffen Genussrechtsinhaber sein. Somit könnte auch den unterschiedlichen Anlegerinteressen entgegengekommen werden.

Wie sollen sich die betroffenen Anleger jetzt verhalten?

Es ist derzeit unserer Meinung nach nicht mehr möglich, von Prokon erfolgreich die Rückzahlung seiner Einlage zu verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn einzelne Gläubiger bereits einen gerichtlichen Titel gegen Prokon in Händen haben. Denn das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Insolvenzanfechtung auch dann möglich ist, wenn der entsprechende Gläubiger seine Zahlungen im Wege der Zwangsvollstreckung erhalten hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 466/12). Und spätestens seit dem Schreiben von Prokon von 10. Januar 2014 an die Anleger sind die Zahlungsprobleme allgemein bekannt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung nach §§ 129 bis 131 InsO sind damit offensichtlich gegeben.

Es gibt deshalb derzeit unserer Meinung nach nicht den geringsten Anlass, einen Rechtsanwalt mit der Beitreibung seiner Ansprüche gegen Prokon zu beauftragen. Denn in diesen Fällen wird es vermutlich heißen: Außer Spesen nichts gewesen! Es gibt im übrigen auch keinen zwingenden Grund, den Fragebogen von Prokon auszufüllen und zurückzusenden. Denn hier drohen den Unterzeichnern möglicherweise Rechtsnachteile gegenüber solchen Anlegern, die die Erklärung nicht unterzeichnet haben.

urbs-media Praxistipp: Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. wird betroffene Genussrechtsinhaber über einen kostenlosen Newsletter über den Fortgang des Verfahrens informieren. Interessierte Genussrechtsinhaber können sich hierfür unter http://www.sdk.org/prokon.php registrieren lassen.

Eine gut geleitete Planinsolvenz mit anschließender Firmenfortführung bei Prokon (so wie vom SdK vorgeschlagen) müssen die Anleger unserer Meinung nach nicht fürchten, weil im Insolvenzfall bereits gekündigte und weiterhin ungekündigte Genussrechte grundsätzlich gleich behandelt werden. Und das es letztendlich in den nächsten Tagen zu einer Insolvenz von Prokon kommen wird, daran haben wir nicht den geringsten Zweifel.

Ein derartiges Insolvenz-Verfahren bietet gleichzeitig die Möglichkeit, die bisherige Unternehmensführung zu ersetzen und die an sich profitablen Windparks unter der Regie eines engagierten Insolvenzverwalters weiter zu betreiben. Auf eines müssen sich die Genussrechtsinhaber jedoch zwingend einstellen: Mehr als 2 oder 3 Prozent Verzinsung wird es in den nächsten Jahren mit Sicherheit nicht geben!



urbs-media GbR
http://www.urbs.de